1 Einleitung

„Weiterbildung findet mit der Gießkanne statt. Und einmal im Jahr wird gegossen“ (WirtschaftsWoche, 08.12.2021).

Um wettbewerbsfähig, effizient und produktiv zu bleiben, müssen Organisationen sicherstellen, dass ihre Beschäftigten sich fortwährend weiterbilden und entwickeln. Studien zeigen, dass Weiterbildungsmaßnahmen zu den effektivsten Methoden gehören, um berufliche Handlungskompetenzen sowie die Leistung der Beschäftigten zu verbessern (für einen Überblick siehe Salas et al. 2012). Es überrascht daher nicht, dass Organisationen beträchtliche Ressourcen in die Weiterbildung investieren: So haben Unternehmen in Deutschland im Jahr 2019 insgesamt 41,3 Mrd. € in Weiterbildungsmaßnahmen investiert und jede*n Beschäftigte*n im Schnitt 18,3 h im Jahr weitergebildet (Seyda und Placke 2020). Um diese Ressourcen optimal einsetzen zu können, muss der Entwicklungsbedarf der Beschäftigten kontinuierlich und zutreffend ermittelt werden, damit dieser auch durch passende Weiterbildungsmaßnahmen gezielt und adäquat adressiert werden kann (Kauffeld und Frerichs 2018).

In der Vergangenheit wurde bereits eine Vielzahl von Technologien eingesetzt, um die organisationale Weiterbildung und die damit zusammenhängenden administrativen Prozesse durch Digitalisierung effizient gestalten und verwalten zu können. Zu nennen sind hier bspw. die digitale Bereitstellung von Weiterbildungsmaterialien (in text- oder audiovisueller Form), oder der Einsatz von Videokonferenzsoftware zur digitalen Vermittlung von Lerninhalten und Kommunikation mit den teilnehmenden Beschäftigten (Jooss et al. 2022; Noonan et al. 2017; Salas et al. 2012).

Die technologische Entwicklung schreitet jedoch stetig und rasant voran und bietet inzwischen Möglichkeiten, die über die reine Digitalisierung hinausgehen und es erlauben bspw. auch komplexe Prozesse und Entscheidungen im Personalwesen (engl. Human Resource Management; im Folgenden abgekürzt als HRM) und damit auch in der Personalentwicklung und Weiterbildung zu automatisieren (from e‑HRM to algorithmic HRM, Meijerink et al. 2021). Eine solche technologische Unterstützung kann Vorteile für sowohl Organisationen als auch Beschäftigte mit sich bringen. Zum einen kann Wünschen von Beschäftigten bspw. nach für sie passenden, personalisierten Weiterbildungen, höherer Aktualität der Lerninhalte, kürzeren und dafür häufigeren Weiterbildungseinheiten (micro statt macro learning), sowie On-Demand-Verfügbarkeit (vgl. Society for Human Resource Management 2022) besser entsprochen werden. Zum anderen können Organisationen von einer Reduktion des sonst sehr zeit- und kostenintensiven Verwaltungsaufwandes, der mit dem gesamten Weiterbildungsprozess verbunden ist, profitieren. Somit besteht vor allem vor dem Hintergrund hochdynamischer Märkte und entsprechend sich häufig ändernder Kompetenzanforderungen und damit verbundenem Entwicklungsbedarf (Noonan et al. 2017) ein zunehmendes Interesse an digitalen und automatisierten Weiterbildungslösungen (Maity 2019).

In diesem Beitrag zeigen wir entlang des Personalentwicklungsprozess, der die Weiterbildung umschließt, vielfältige Digitalisierungs- und Automatisierungsmöglichkeiten auf und führen diese mit Beispielen aus der wissenschaftlichen Forschung sowie aktuellen Anwendungen aus der betrieblichen Praxis aus. Abschließend beleuchten und diskutieren wir die Potenziale und Herausforderungen des Technologieeinsatzes im Bereich der Weiterbildung.

2 Personalentwicklung

Die Weiterbildung ist ein Kernstück der Personalentwicklung (PE) in Organisationen. PE zielt darauf ab, die individuellen beruflichen Handlungskompetenzen der Beschäftigten zu erhalten und weiterzuentwickeln (Kauffeld und Grote 2019), bspw. im Rahmen von Seminaren, Trainings oder e‑learning. Berufliche Handlungskompetenz bezeichnet dabei die Summe von Wissen, Können, Fähigkeiten und Fertigkeiten inkl. deren Anwendungsfähigkeit im beruflichen Alltag (Kauffeld und Grote 2019). Mit gezielter PE werden Organisationen nicht nur attraktiver für (potenzielle) Beschäftigte, sondern sichern auch ihre Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit. In einer globalen Marktwirtschaft, in der v. a. Dank des Internets viele Organisationen auf dieselben Märkte zugreifen können und Unterschiede in der Innovation unterschiedlicher Organisationen oftmals klein sind, stellt das sogenannte Humankapital, d. h. die beruflichen Handlungskompetenzen der Beschäftigten, womöglich den nachhaltigsten Wettbewerbsvorteil dar (Karwehl und Kauffeld 2021).

Für die meisten Organisationen ist PE somit eine bedeutsame Investition, die jedoch angesichts verbreiteter Kostenreduzierungsstrategien oftmals hinsichtlich ihrer Effektivität hinterfragt wird (Kauffeld 2016). Vor diesem Hintergrund sind systematische und bedarfsorientierte Planungen und Durchführungen von PE-Maßnahmen umso relevanter. Dazu gehört die Formulierung konkreter Handlungskompetenzen für einzelne Jobrollen, eine gute Diagnostik, die den Entwicklungsbedarf und -erfolg misst, sowie Weiterbildungsmaßnahmen, die konkret auf die jeweils zu entwickelnden Handlungskompetenzen zugeschnitten sind (Kauffeld 2016; Kauffeld und Grote 2019). Damit Weiterbildung von den teilnehmenden Beschäftigten auch tatsächlich als sinnvolle Unterstützung angenommen und von ihnen in ihren Berufsalltag transferiert wird und somit eine sinnvolle Investition darstellt, sollte sie nicht nach dem „Gießkannen-Prinzip“ (Kober 2021) entwickelt sein, sondern möglichst auf die spezifischen Bedarfe der Organisation und ihrer Beschäftigten zugeschnitten sein (Kraiger und Cavanagh 2014).

In Anlehnung an Kauffeld (2016) empfiehlt sich dafür ein fünfstufiger PE-Prozess. Dabei ist jede Stufe mit konkreten Fragen verbunden, die sich eine Organisation bei der Planung und Durchführung von PE-Maßnahmen stellen sollte: (1) Analyse des PE-Bedarfs: Welcher Entwicklungsbedarf ergibt sich aus der Organisationsstrategie, den Tätigkeiten und den bestehenden Kompetenzen der Beschäftigten? (2) Festlegung der PE-Ziele: Was ist das Ziel der Weiterbildungsmaßnahme? Woran würde man erkennen, dass sie erfolgreich war? (3) Entwicklung bzw. Selektion der Weiterbildungsmaßnahme: Wie muss die Maßnahme gestaltet sein, um die zuvor definierten Ziele zu erfüllen? Für welche Bedarfe eignet sich die Maßnahme, d. h. wer sollte am besten daran teilnehmen? (4) Implementierung der Weiterbildungsmaßnahme: Wie, wann, wie oft und durch wen wird die Weiterbildungsmaßnahme durchgeführt? (5) Messung und Evaluation: Hat die Weiterbildungsmaßnahme die vorab festgelegten Ziele erreicht, d. h. war sie effektiv?

Nach dem Durchlaufen dieser fünf Stufen beginnt der PE-Prozess von Neuem. So stellen bspw. die Ergebnisse der Evaluation die Basis für die Ableitung neuer PE-Ziele dar, da sie zeigen, ob die Teilnehmenden die gewünschten Kompetenzen erworben haben, umsetzen konnten und ob dies zu den gewünschten Ergebnissen geführt hat.

Dieser iterative Vorgang macht deutlich, wie komplex und aufwändig der übergeordnete Administrationsprozess der PE sein kann. Insbesondere das kontinuierliche Tracking des Kompetenzstands aller Beschäftigten ist eine arbeitsintensive Aufgabe, vor allem wenn dessen Evaluation sich auf Ziele bezieht, die sich aufgrund sich verändernder Aufgaben oder organisationaler Strategiewechsel stetig weiterentwickeln (vgl. Kauffeld 2016; Noonan et al. 2017). Digitalisierung und Automatisierung können also in der PE an zwei Ebenen ansetzen: einmal an den Weiterbildungsmaßnahmen an sich und einmal an den zugehörigen Administrationsprozessen. Um Aufwand und Kosten zu reduzieren und gleichzeitig eine qualitativ hochwertige und zielgenaue PE gewährleisten zu können, steigt aktuell zunehmend das Interesse an digitalen und automatisierten Lösungen in der PE (Maity 2019).

3 Digitalisierung und Automatisierung im Personalbereich

Digitalisierung, also die Sammlung, Verarbeitung und Kommunikation von Daten in digitaler, d. h. maschinenlesbarer, Form hat schon lange in die PE Einzug gehalten. Unter den Begriffen e‑learning oder e‑training werden eine Vielzahl von Informations- und Kommunikationstechnologien genutzt, um Weiterbildungsinhalte digital anzubieten (bspw. Weiterbildungsmaterialien in schriftlicher oder audiovisueller Form zum Selbststudium auf betrieblichen e‑learning-Plattformen anzubieten oder die Teilnahme an virtuellen Trainings per Videokonferenzsoftware oder in virtuellen Simulationen) (Johnson und Brown 2017). Schon im Jahr 2000 wurde die Digitalisierung in Form von e‑learning als die größte Innovation im Weiterbildungsbereich „seit Erfindung der Kreidetafel“ beschrieben (Horton 2000, S. 6). Zusätzlich eröffnet die Digitalisierung der mit der Weiterbildung in Zusammenhang stehenden Administration von Personaldaten viele Vorteile, bspw. eine ortsunabhängige Bearbeitung sowie die Reduktion von Übertragungsfehlern und unnötigen Doppelungen. Solche Anwendungen von Informations- und Kommunikationstechnologien und digitalen Daten zur Unterstützung von Prozessen im Personalbereich werden unter dem Begriff e‑HRM (electronic human resource management, (Strohmeier 2007)) gefasst.

Auf Basis der digitalen Personaldaten sind aber heutzutage mit neuen Technologien auch weitergehende Entwicklungen im Bereich der PE möglich. So können auf Basis der digitalen Personaldaten (z. B. mittels sog. Maschinellem Lernen) Algorithmen entwickelt werden, welche zur Unterstützung oder sogar zur Automatisierung von Planungs- und Entscheidungsprozessen im Personalbereich genutzt werden können. Eine solche Nutzung von Software-Algorithmen zur Unterstützung oder Automatisierung von Prozessen im Personalbereich wird mit dem Begriff algorithmic HRM bezeichnet, das eine spezifische Unterform des e‑HRMs ist (Meijerink et al. 2021). Algorithmic HRM kann auch im spezifischen Bereich der PE zur Unterstützung oder Automatisierung von Entscheidungen genutzt werden, welche Weiterbildungen für welche Beschäftigten wann sinnvoll sind, um bestimmte Kriterien (z. B. eine Steigerung der beruflichen Leistung oder eine Reduktion von Unfällen) zu erreichen. Die Automatisierung bietet hier somit großes Potenzial, die Effizienz zu steigern (Schinkels 2021) und bspw. die Arbeitslast von Personalentwickler*innen zu reduzieren.

In diesem Zusammenhang sind auch die Konzepte HR Analytics, People Analytics und Talent Analytics zu nennen. Diese oft synonym verwendeten Begriffe beschreiben den Einsatz moderner Informationstechnologie um auf Basis umfangreicher digitaler HR-Daten deskriptive, visuelle und statistische Analysen zu HR-Prozessen zu liefern und so datenbasierte Entscheidungen zu ermöglichen (z. B. Marler und Boudreau 2017), die die Effizienz der Kernfunktionen im HRM steigern (Giermindl et al. 2022). Bei diesen Konzepten liegt der Fokus auf der Analyse von HR-Daten zur Gewinnung von (neuen) Erkenntnissen, auf deren Basis dann Entscheidungen durch Personaler*innen oder Führungskräfte getroffen werden können. Oftmals wird mit dem Einsatz das Ziel verfolgt, durch die algorithmische Analyse sehr großer Datenmengen Muster oder Zusammenhänge aufzudecken, die menschlichen Entscheider*innen aufgrund der Grenzen menschlicher Verarbeitungskapazität verborgen geblieben sind. Bei algorithmic HRM hingegen liegt der Fokus eher auf der Automatisierung von HR-Entscheidungen (Meijerink et al. 2021) und wird oftmals weniger für neuartige, sondern eher für etablierte, routinehafte Entscheidungen eingesetzt. Trotz dieses Unterschieds in der Schwerpunktsetzung der beiden Konzeptbereiche finden sich in der Praxis oftmals verwischende Grenzen bzw. integrierte Einsätze der algorithmischen Analyse digitaler HR-Daten und algorithmischer, d. h. automatisierter, HR-Entscheidungen.

Algorithmische Datenanalysen und Entscheidungen im HR-Bereich können zudem als Nebeneffekt das Risiko von Fehlern (die aus der manuellen Handhabung großer Datenbanken resultieren) und Verzerrungen (die durch persönliche Interessen der Beurteilenden entstehen, z. B. Vorgesetzte, die die Fähigkeiten ihrer Teammitglieder beurteilen) reduzieren, als auch durch die passgenauere Zuweisung von Weiterbildungsmaßnahmen (i. S. besserer Passung zwischen tatsächlichem Kompetenzstand und der zugewiesenen Weiterbildungsmaßnahme) einen zielgerichteteren Ressourceneinsatz ermöglichen. Um diese Potenziale der Digitalisierung und Automatisierung in der Weiterbildung tatsächlich zu realisieren, gilt es für Organisationen verschiedene Herausforderungen zu bewältigen und insbesondere Risiken der Nutzung spezifischer Technologien (z. B. die Verstärkung von in Trainingsdaten vorhandenen Verzerrungen, die Dekontextualisierung menschlicher Leistung oder den Beschäftigten-Datenschutz) verantwortungsbewusst abzuwägen (vgl. die Diskussion in Abschn. 5).

4 Digitalisierung und Automatisierung in der Personalentwicklung

Zur Digitalisierung und der darauf aufsetzenden Automatisierung können in der PE verschiedene Technologien eingesetzt werden, die jeweils mehr oder weniger Daten umfassen und verarbeiten, mehr oder weniger Prozesse automatisieren und auch mehr oder weniger interoperabel sein können. Oftmals findet man auch umfassende Softwarepakete, die Funktionen verschiedener Systeme direkt integriert beinhalten. Idealerweise sind die verschiedenen (in der PE) eingesetzten Systeme miteinander integriert und bieten Schnittstellen, um diese zukünftig um weitere sinnvolle Funktionen zu erweitern oder mit anderen Systemen für spezialisierte Funktionen (bspw. mit einem Leistungsbeurteilungssystem) zu verknüpfen. Nur dann können die prinzipiellen Vorteile technologischer Systeme, bspw. die Vermeidung von doppelten Eingaben, auch zum Tragen kommen.

Im Folgenden stellen wir entlang des PE-Prozesses die verschiedenen wichtigen Analyse‑, Planungs- und Entscheidungsschritte vor und zeigen anhand von Beispielen auf, welche technologischen Möglichkeiten in moderner PE genutzt werden können. Abb. 1 bietet einen Überblick über die unterschiedlichen Digitalisierungs- und Automatisierungspotentiale in den verschiedenen Phasen des PE-Prozesses.

Abb. 1
figure 1

Ablaufmodell des PE-Prozesses in Anlehnung an Kauffeld (2016) mit Darstellung der vorgestellten Praxisbeispiele

4.1 Phase 1: Analyse von Weiterbildungsbedarfen

Zu Beginn des PE-Prozesses steht die akkurate Ermittlung der Entwicklungsbedarfe durch die Analyse von Merkmalen 1) der Organisation, 2) der Tätigkeit und 3) des Individuums. Die in dieser Phase gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für alle Entscheidungen in den nachfolgenden Phasen des PE-Prozesses. Bei der Organisationsanalyse wird festgelegt, welche beruflichen Handlungskompetenzen für den Erfolg der Organisation die höchste Priorität haben. Die Tätigkeitsanalyse untersucht spezifische Aufgaben in der Organisation, ihre Merkmale und Erfordernisse. Hieraus kann abgeleitet werden, welche Arten von Weiterbildung nötig und förderlich sind, um die Tätigkeit optimal ausüben zu können. Letztlich kommt es durch einen Abgleich von IST- und SOLL-Zustand der jeweils individuellen Beschäftigten in der Personenanalyse zur Beantwortung der Frage, welche Beschäftigten welche Entwicklungsbedarfe haben. Auf Basis dieser Daten können Weiterbildungsmaßnahmen gezielt geplant und ausgewählt werden, um die Beschäftigten und somit die Organisation zielgerichtet zu entwickeln (Kauffeld und Grote 2019).

Die Ableitung eines organisationsspezifischen Kompetenzmodells aus Mission, Werten und Zielen der Organisation erfordert strategische Entscheidungen menschlicher Entscheider*innen und ist der Daten-Input für die digitalen Systeme. (Siehe Karwehl und Kauffeld 2021 für eine Skizzierung der möglichen Unterstützung dieses Prozesses durch HR Analytics.) Ein solches übergeordnetes Kompetenzmodell muss dann für alle aktuellen und zukünftigen Tätigkeiten durchdekliniert und angepasst werden, um entsprechende SOLL-Zustände beruflicher Handlungskompetenzen für die Beschäftigten in den einzelnen Tätigkeiten festzulegen.

4.1.1 Digitalisierungspotential

Digitale Anwendungen können sowohl die Durchführung als auch die Dokumentation von Organisations‑, Tätigkeits- und Personenanalysen erleichtern und somit die Bewertung des Entwicklungsbedarfs effektiver und effizienter gestalten (Grant et al. 1997; Reiter-Palmon et al. 2006; Stone et al. 2015). So liefern webbasierte Tätigkeitsanalysen, die auf umfangreichen Klassifikationen diverser Stellenprofile basieren (z. B. National Center for O*NET Development 2023), deutlich schneller umfangreichere Arbeits- und Anforderungsanalysen als herkömmliche face-to-face Interviews (Reiter-Palmon et al. 2006). In ähnlicher Weise kann die Personenanalyse durch elektronische Umfragen erfolgen, so dass die Ergebnisse direkt gesammelt, dargestellt und in digitaler Form abgerufen werden können (Grant et al. 1997).

Diese Daten können in sog. Learning Management Systemen (LMS) erfasst, gespeichert und verwaltet werden (Stone und Zheng 2014). LMS dienen vornehmlich der Dokumentation und Verwaltung von Lernaktivitäten und Lernerfolg der Beschäftigten und ermöglichen es bspw. schnell Aussagen darüber zu treffen, welche Beschäftigten an welchen Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen haben und ob sie diese erfolgreich abgeschlossen haben (Kauffeld 2016). LMS ermöglichen zudem einen Abgleich des IST- und SOLL-Stands der Kompetenzen der Beschäftigten sowie die daraus resultierende Ableitung des individuelle Entwicklungsbedarfs. Durch die Kombination von web-basierten Befragungstools – in denen Kompetenzen aus vorher definierten Kompetenzmodellen durch Beschäftigte selbst- und/oder durch Führungskräfte und Personalentwickler*innen fremdeingeschätzt werden können – mit LMS können auch Abgleiche (und entsprechende Darstellungen) von IST- und SOLL-Zuständen, von Selbst- und Fremdeinschätzungen oder von IST-Zuständen zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgen (Kortsch et al. 2018).

4.1.2 Automatisierungspotential

Viele LMS beruhen immer noch auf herkömmlichen Kompetenzeinschätzungen (z. B. über Selbstberichte, Bewertungen von Führungskräften, oder Leistungs- bzw. Wissenstests), die (teils noch manuell) in die Datenbank eingegeben werden. Es besteht jedoch ein wachsendes Interesse an der Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) zur Durchführung von Personenanalysen, z. B. durch Spracherkennungsprogramme, die sprachliche Marker identifizieren, die (mehr oder weniger zuverlässig) für die Arbeitsleistung relevante Kompetenzen widerspiegeln (Stulle 2018; Weber und Büttgen 2018). So kann die Sprachanalyse beispielsweise Aspekte der Kund*innenorientierung von Service-Mitarbeiter*innen ermitteln und damit potenzielle Entwicklungsziele aufzeigen, etwa durch die Analyse der Verwendung von angemessenen Begrüßungs- und Verabschiedungsformeln, Unterbrechungen oder anhaltenden Pausen in den Aufzeichnungen von Kund*innen-Mitarbeiter*innen-Interaktionen (Weber 2017). Auch zur Kompetenzmessung bei Führungskräften kann die KI-gestützte Sprachanalyse eingesetzt werden. So können auf Basis von Telefoninterviews zwischen Führungskraft und KI Einschätzungen zu zuvor festgelegten Aspekten wie bspw. Entscheidungsfreude, Konfliktfähigkeit und Zusammenarbeit der Person sowie deren individuellen Sprachstil und seiner Wirkung angeboten werden (Initiative Chefsache 2020). Allerdings ist anzumerken, dass die Technologie der automatisierten Sprachanalyse in Bezug auf sowohl die Validität der generierten Ergebnisse (Schmidt-Atzert et al. 2019) als auch im Hinblick auf arbeitsrechtliche und insbesondere Datenschutzaspekte durchaus in der Kritik steht (Wedde 2020).

4.2 Phase 2: Festlegung von Weiterbildungszielen

Basierend auf der Analyse des Entwicklungsbedarfs erfolgt in der zweiten Phase des PE-Prozesses die Entwicklung und Festlegung der Weiterbildungsziele (Kauffeld 2016). Dabei gilt es zwischen übergeordneten Zielen, die Veränderungen in Organisationen betreffen, und spezifischen Zielen, die sich auf die Entwicklung der Beschäftigten beziehen, zu differenzieren.

Übergeordnete Ziele betreffen die PE-Strategie der Organisation, bei der die einzelne Weiterbildungsmaßnahme nur ein Element darstellt. Sie leiten sich aus den strategischen Zielen der Organisation (bspw. Eröffnung eines Produktionsstandortes im Ausland) im Abgleich mit aktuellen Leistungsergebnissen (bspw. Koordinationsprobleme in multinationalen Teams) ab. Ein übergeordnetes Ziel für die PE-Strategie könnte für dieses Beispiel dementsprechend die Erweiterung des Weiterbildungsangebotes im Bereich interkulturelle Zusammenarbeit sein.

Spezifische Ziele beziehen sich hingegen auf die gewünschten Ergebnisse der konkreten Weiterbildungsmaßnahme und umfassen Verhaltens- und Leistungsziele: Bspw. „Welche Verhaltensweisen sollten Teilnehmende nach einer konkreten Weiterbildungsmaßnahme beherrschen?“ oder „In welcher Leistung sollte sich eine erfolgreiche Weiterbildung niederschlagen?“ Ihre Ableitung erfolgt aus den übergeordneten Zielen (bspw. Kompetenzaufbau im Bereich interkultureller Zusammenarbeit) im Abgleich mit dem aktuellen leistungsrelevanten Verhalten der Beschäftigten (bspw. Fehlerrate, Konfliktfälle, Koordinationsverluste). Diese Verhaltens- und Leistungsziele sollten möglichst konkret definiert werden und sich auf einen bestimmten Zeitpunkt beziehen, um Personalentwickler*innen wie Teilnehmenden zur Orientierung und damit Fokussierung und Aufmerksamkeitslenkung zu dienen und eine messbare (Erfolgs‑)Kontrolle in der späteren Evaluation zu ermöglichen (Kauffeld 2016).

4.2.1 Digitalisierungspotential

Wie auch schon im Rahmen der Organisations‑, Tätigkeits- und Personenanalyse, können LMS genutzt werden, um spezifische Ziele der Weiterbildungsmaßnahmen digital zu hinterlegen. LMS können somit Elemente, die sowohl für die Beurteilung des Entwicklungsbedarfs als auch für die Planung zukünftiger Weiterbildungsmaßnahmen relevant sind, auf einer zentralen Plattform vereinen.

4.2.2 Automatisierungspotential

Zur Identifikation des leistungsrelevanten Verhaltens und damit zur Formulierung spezifischer Trainingsziele können neben bewährten klassischen Methoden zur Arbeits- und Anforderungsanalyse (Interviews, Befragungen, oder Beobachtungen der Beschäftigten; Höft und Goerke 2014) auch automatisierte Lösungen (unterstützend) genutzt werden. Eine solche Möglichkeit ist das electronic performance monitoring (EPM), d. h. die elektronische und kontinuierliche Aufzeichnung umfangreicher Parameter mehrerer Dimensionen des Arbeitsverhaltens und der Arbeitsleistung (Sanchez 2000). Im Gegensatz zu analogen Formen der Leistungs- und Verhaltensmessung kann die elektronische Variante ressourcenschonend kontinuierlich und ohne Störungen der Beschäftigten im Hintergrund eingesetzt werden. Je nach Tätigkeit können aufgrund der heute zur Verfügung stehenden vergleichsweise günstigen, dennoch leistungsstarken und insbesondere mobil-internetfähigen und damit standortunabhängigen Technologien zur Datenerhebung bspw. Anrufe oder E‑Mail-Korrespondenzen aufgezeichnet werden, die Nutzung von Fahrzeugen oder elektronischen Arbeitsmitteln aufgezeichnet werden, oder zum Beispiel Bewegungen per GPS-Tracker oder Bewegungssensoren erfasst werden (Ravid et al. 2020). Erhebt man dies über verschiedene Beschäftigte, die dieselbe Tätigkeit ausführen, kann man eine umfangreiche und verlässliche Datenbasis schaffen, aus der erfolgskritische Verhaltensweisen extrahiert und als spezifische Trainingsziele spezifiziert werden können. Dabei sollte beim Einsatz von EPM immer darauf geachtet werden, dass für die Beschäftigten die Erhebung (welche Parameter?), Auswertung (aggregiert oder individuell?) und Verwendung (bspw. ausschließlich zur Ableitung von Trainingszielen) der Daten transparent ist, um negative Wahrnehmungen wie Misstrauen oder Unfairness zu vermeiden (Tomczak et al. 2018).

Ein Anwendungsbeispiel von EPM zur Identifikation leistungsrelevanter Verhaltensweisen ist die automatisierte Erfassung von Frequenz, Dauer oder Parallelität der Nutzung unterschiedlicher Computeranwendungen. In einer Studie mit über 35.000 Datenpunkten konnten Cao et al. (2021) durch die automatisierte Erfassung von Dauer und Größe von Videokonferenzen sowie der Anzahl paralleler Aktivitäten in anderen Anwendungen ermitteln, ab welcher Meetingdauer, Anzahl an Teilnehmenden sowie zu welcher Uhrzeit am meisten Multitasking (d. h. Nutzung anderer Anwendungen während einer Videokonferenz) stattfand. Aufbauend auf den so identifizierten leistungsrelevanten Merkmalen könnten bspw. Weiterbildungen für Führungskräfte zur besseren Gestaltung von Meetings (z. B. zur Meetingstrukturierung und -vorbereitung) entwickelt und spezifische Weiterbildungsziele festgelegt werden.

4.3 Phase 3: Entwicklung bzw. Selektion von Weiterbildungsmaßnahmen

In der dritten Phase des PE-Prozesses geht es darum, eine möglichst gute Passung zwischen bestimmten Weiterbildungsmaßnahmen und den spezifischen Entwicklungsbedarfen einzelner Beschäftigter zu erreichen. Dies kann entweder dadurch erfolgen, dass für eine spezifische Weiterbildungsmaßnahme Beschäftigte mit dem passenden Entwicklungsbedarf ausgewählt werden oder dadurch, dass für die Bedarfe einzelner Beschäftigter personalisierte Kombinationen von Weiterbildungsmaßnahmen zusammengestellt werden. Auch Entwicklungen neuer Weiterbildungsmaßnahmen, um bislang nicht abgedeckten Kompetenzentwicklungsbedarfen zu begegnen, gehören in dieser Phase dazu.

Die Identifizierung von Beschäftigten mit Entwicklungsbedarf und ihre Zuweisung zu passenden Weiterbildungsmaßnahmen wird traditionell von Personalentwickler*innen oder den Beschäftigten selbst durchgeführt (z. B. durch die Auswahl einer Weiterbildung aus einem Katalog verschiedener Maßnahmen) und erforderte viel Zeit und kognitive Anstrengung, um aus den oft umfangreichen Angeboten geeignete Maßnahmen auszuwählen (Geng et al. 2020).

4.3.1 Digitalisierungspotential

Diese administrative Tätigkeit, die Beschäftigten mit passendem Entwicklungsbedarf zu identifizieren und den entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen zuzuweisen, kann vereinfacht werden, indem die aktuellen IST-Kompetenzlevel der einzelnen Beschäftigten ebenso wie die für ihre Tätigkeiten spezifischen SOLL-Kompetenzlevel digital in einem LMS vorliegen.

4.3.2 Automatisierungspotential

Gerade in diesem Bereich können aber auch automatisierte Entscheidungsprozesse den administrativen Aufwand deutlich weiter reduzieren. Die Automatisierung dieses Zuordnungsprozesses ist insbesondere für Berufe relevant, die komplexen Weiterbildungsanforderungen (wie bspw. wiederkehrenden Pflichtunterweisungen und Fachfortbildungen) unterliegen, z. B. im Gesundheits- und Pflegebereich, in dem zahlreiche Regularien seitens Gesetzgebern sowie Kranken- und Pflegekassen bestehen.

Verknüpfungen des LMS mit dem Leistungsbeurteilungssystem einer Organisation oder wiederkehrende Überprüfungen von Kompetenzen können (zstzl. zu einer initialen Personenanalyse) Kompetenzlücken aufdecken und so zu einer Zuweisung mit guter Passung des aktuellen Kompetenzlevel der teilnehmenden Beschäftigten und der entsprechenden Weiterbildungsmaßnahme beitragen. Dabei können automatisierte Überprüfungen mit automatisierter Dokumentation der Ergebnisse im LMS häufiger erfolgen, als wenn dies durch ressourcenintensive face-to-face Testungen erfolgt. So können z. B. Beschäftigte, die an Arbeitsplätzen mit hohen Datensicherheitsanforderungen tätig sind, je nach ihrer Reaktion auf automatisierte, vorgetäuschte Phishing-E-Mails automatisch Weiterbildungsmaßnahmen zu bestimmten Aspekten der Cybersicherheit zugewiesen werden (SoSafe GmbH 2022). Somit entsteht eine Verknüpfung der kontinuierlichen, automatisierten und individuellen Erhebung des Entwicklungsbedarfs hinsichtlich einer spezifischen Kompetenz mit der Selektion der unmittelbar passenden Weiterbildungsmaßnahme.

Solche Verknüpfungen nutzen auch automatisierte sog. learning recommender systems (LRS) um eine personalisierte und bedarfsgerechte Zuweisung von Beschäftigten zu Weiterbildungen zu erreichen. Hierbei werden Merkmale der Lernenden (z. B. dokumentierte Lernhistorie, dokumentierter Lernerfolg, dokumentierte Anforderungen aus dem Stellenprofil, abgefragte Präferenzen bzgl. Inhalten und Modalitäten der Weiterbildungen) und Merkmale der im CMS verfügbaren Lernmaterialien (z. B. Informationen zu Lerninhalten, Lernmodalitäten, Schwierigkeitsgrad, sowie Bewertungen durch andere Lernende) zueinander in Verbindung gesetzt, um eine möglichst gute Passung zu erreichen (Geng et al. 2020). Durch personalisierte Empfehlungen von Weiterbildungsmaterialien sollen bekannte Schwierigkeiten bei der Nutzung von e‑learning Systemen wie Orientierungsprobleme, kognitive Überlastung und das Gefühl der Informationsüberflutung reduziert werden (Chen et al. 2005; Christudas et al. 2018). Adaptive LRS sollen dabei den sich dynamisch entwickelnden Lernständen und -bedarfen der Beschäftigten durch fortlaufende Erhebungen von Lernerfolgsdaten sowie Lerninteressen und Bewertungen von Lernmaterialien gerecht werden und die Zuweisungen fortlaufend anpassen (Geng et al. 2020).

Eine weitere Möglichkeit durch den Einsatz neuer Technologien in dieser Phase des PE-Prozesses Aufwand und Kosten zu senken, betrifft die Entwicklung und Erstellung von Weiterbildungsmaterialien. Verschiedene Anbieter entwickeln aktuell sog. Generative KI, d. h. technologische Systeme, die aufgrund der sog. deep-learning Methode in der Lage sind, als Reaktion auf vielfältige Aufforderungen in natürlicher Sprache (sog. prompts) Inhalte zu generieren (z. B. Videos, Bilder oder Texte), die von Menschen generierten Inhalten ähneln (Lim et al. 2023). Eine Anwendung generativer KI zur (Unterstützung bei der) Erstellung von Weiterbildungsmaterialien schriftlicher, bebilderter oder audiovisueller Art erscheint durchaus möglich und könnte Aufwand und Kosten dabei merklich reduzieren. Allerdings ist es erforderlich, dass Personaler*innen und Trainer*innen dabei eine gewissenhafte Kontrolle und Nachbearbeitung der generierten Ergebnisse anwenden, da bislang zugängliche Modelle in Bezug auf rechtliche Aspekte wie Datenschutz und den Schutz geistigen Eigentums tiefgreifende Probleme aufweisen und zum Teil fehlerhafte Antworten generieren, die auf den ersten Blick fälschlicherweise korrekt erscheinen (Lim et al. 2023).

4.4 Phase 4: Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen

In der vierten Phase des PE-Prozesses wird die ausgewählte Weiterbildungsmaßnahme implementiert. Damit dies gelingt, ist es wichtig, dass die Führungskräfte und die Beschäftigten der Maßnahme gegenüber positiv eingestellt sind, diese unterstützen und annehmen. Hierzu tragen Informationen zum Zweck, zur Vorgehensweise und zu den Zielen der Weiterbildungsmaßnahme bei (Kauffeld 2016). Im Zuge der Implementierung gilt es zu klären wie, wann, wie oft und durch wen die jeweilige Maßnahme durchgeführt wird.

4.4.1 Digitalisierungspotential

Um Beschäftigten digitale Lerninhalte über das Internet oder Intranet zur Verfügung zu stellen, verwenden Organisationen sogenannte (Learning‑)Content-Management-Systeme (CMS). Solche Systeme ermöglichen auch das Hinzufügen, Bearbeiten, Speichern und Verwalten von digitalen (Lern‑)Inhalten durch Personalentwickler*innen und Trainer*innen. Maßnahmen unter dem Begriff e‑learning reichen dabei von der einfachen Bereitstellung von digitalen Schulungsmaterialien (z. B. Arbeitsblätter, Präsentationen, Video-Tutorials auf Abruf) bis hin zu interaktiveren Formaten wie Webinaren bzw. Schulungen über Videokonferenzen oder sogar in Virtual Reality (DeRouin et al. 2005; Stone et al. 2015).

4.4.2 Automatisierungspotential

Dabei wird die Anleitung der Lernenden in Weiterbildungsmaßnahmen, insbesondere im e‑learning, nicht mehr nur von menschlichen Personalentwickler*innen, sondern immer häufiger auch von technologischen Agenten übernommen oder zumindest um diese ergänzt. KI-basierte Software ermöglicht beispielsweise die Erstellung von Videos mit Avataren als Tutor*innen, die unterschiedlichen demografischen Merkmale (z. B. Geschlecht, Alter, Hautfarbe) aufweisen und in verschiedenen Sprachen und Akzenten sprechen können, und bietet damit neue Möglichkeiten für die Bereitstellung personalisierter Lerninhalte, die insbesondere in Organisationen mit einer heterogenen Belegschaft von Bedeutung sind (z. B. Synthesia Limited 2022).

Eine noch fortgeschrittenere Technologie stellen die pedagogical conversational agents dar. Diese Agenten interagieren mit Nutzer*innen in natürlicher Sprache rein über Text-Messenger, wie Chat-bots, oder über gesprochene Sprache. Zudem können sie eine Verkörperung sein (embodiment), d. h. die virtuelle Repräsentation einer Person im virtuellen Raum, wie Avatare (Diederich et al. 2022). Solche technologischen Agenten können Nutzer*innen in virtuellen Lernumgebungen als Tutor*innen unterstützen (Behrend und Thompson 2011) oder als virtuelle Interaktionsparter*innen in Simulationstrainings fungieren (Lin et al. 2014). Virtuelle Simulationstrainings haben dabei insbesondere bei der Förderung von Kompetenzen in risikobehafteten Tätigkeiten (bspw. für medizinische Eingriffe oder im Katastrophenschutz) Vorteile, da sie realitätsnahes Üben in tiefer Immersion ermöglichen ohne Beschäftigte oder andere Beteiligte, wie Patient*innen, einem Risiko auszusetzen (Chen et al. 2020; Consorti et al. 2012).

4.5 Phase 5: Evaluation der Erreichung von Weiterbildungszielen

In der letzten Phase des PE-Prozesses wird der Erfolg der PE-Maßnahme gemessen und anhand der zuvor festgelegten Bewertungskriterien evaluiert, ob die Maßnahme die zuvor gesetzten Ziele erreicht hat (vgl. Phase 2). Die Evaluation liefert dabei die notwendigen Informationen für Entscheidungen, welche Maßnahmen fortgeführt oder gar ausgeweitet, welche Maßnahmen angepasst und optimiert, und welche eingestellt werden sollten und ist somit der Ausgangspunkt für die zukünftige Verteilung der Ressourcen, die eine Organisation in PE investiert (Kauffeld 2016).

4.5.1 Digitalisierungspotential

Digitale Anwendungen ermöglichen es Führungskräften, Personalentwickler*innen und Beschäftigten, Bewertungen von SOLL-Kompetenzen und/oder allgemeine Leistungsbeurteilungen einfacher zu erfassen (z. B. über digital implementierte Umfragen), zu speichern und kontinuierlich zu aktualisieren. Durch den Einsatz von LMS können diese Informationen genutzt werden, um Veränderungen relevanter Kompetenzen oder anderer Leistungskriterien (z. B. Bewertungen durch Vorgesetzte oder Kund*innen) zu bewerten und verbleibenden Entwicklungsbedarf zu identifizieren (Stone et al. 2015). Darüber hinaus kann die Verfolgung dieser Veränderungen und der Vergleich zwischen Teilnehmenden auch dazu beitragen, die Wirksamkeit bestimmter Weiterbildungsmaßnahmen zu bewerten.

4.5.2 Automatisierungspotential

Laut Ravid et al. (2020) ist insbesondere das development electronic performance monitoring, welches digital und automatisch Verhaltens- und Leistungsdaten einer Person intrapersonell über die Zeit erfasst und vergleicht, für die Evaluation von Weiterbildungserfolg und die gezielte Identifizierung weiterer Entwicklungsbedarfe geeignet. Im Vergleich zu früheren Anwendungen von EPM, welche vor allem einfache Maße wie produzierte Stückzahlen oder Arbeitstempo erhoben, ermöglicht heutzutage die digitale Aufzeichnung der individuellen Leistung mittels moderner Sensorik und die automatisierte Auswertung (vgl. Kap. 3 zu HR Analytics), umfangreiches und spezifisches Feedback (bspw. zu zuerlernenden Bewegungsabläufen) zu generieren, welches zur Ableitung von weiteren Weiterbildungszielen und deren Reflektion bspw. in Entwicklungsgesprächen mit Führungskräften genutzt werden kann.

Abb. 1 fasst die unterschiedlichen Digitalisierungs- und Automatisierungspotentiale in den verschiedenen Phasen des PE-Prozesses zusammen.

5 Diskussion & Conclusio

In diesem Beitrag haben wir entlang des PE-Prozesses exemplarisch Möglichkeiten vorgestellt, wie moderne technologische Anwendungen die wichtige Arbeit von Personalentwickler*innen unterstützen können, um ressourcenschonend und zielgerichtet qualitativ hochwertige Weiterbildung zu betreiben. Abschließend möchten wir einerseits auf wichtige praktische Gelingensbedingungen und andererseits auf zentrale rechtliche und ethische Fragen und Risken im Hinblick auf den Einsatz (moderner) technologischer Systeme in der Weiterbildung hinweisen.

5.1 Praktische Gelingensbedingungen für den Technologieeinsatz in der Weiterbildung

Damit Organisationen die prinzipiellen Vorteile solcher technologischen Systeme überhaupt nutzen können, sollten verschiedene Voraussetzungen im Sinne praktischer Gelingensbedingungen erfüllt sein.

  1. 1.

    Integration und Interoperabilität: Nur eine gute Integration der verschiedenen technologischen Systeme erlaubt es, den Nutzen wirklich ziehen zu können (Bondarouk et al. 2017). Müssen Daten händisch von einem System ins andere übertragen werden, ist dies ressourcenintensiv und fehleranfällig. Zudem ist die Interoperabilität der verschiedenen Systeme zentral, d. h. die verschiedenen Systeme sollten die gleichen Metriken und Formate verwenden.

  2. 2.

    Daten-Pflege: Die Personaldaten stellen das Grundgerüst aller nachfolgenden Analysen und Entscheidungen dar. Damit Personaler*innen sinnvolle Schlüsse aus den digitalen Daten bspw. zu IST- und SOLL-Stand der individuellen Kompetenzen ziehen können, ist es unabdingbar, dass diese aktuell und korrekt sind. Auch die Weiterbildungen sollten hinsichtlich der zu erwerbenden oder zu fördernden Kompetenzen aktuell und korrekt kodiert sein (Noonan et al. 2017).

    Während jedoch menschliche Entscheider*innen in einzelnen Fällen unplausible oder fehlende Daten erkennen und eine Korrektur anstoßen können, ist dies für automatisierte Systeme unwahrscheinlich und können nur auf gut kuratierten Daten Algorithmen für reliable und valide Entscheidungen trainiert werden (Meijerink et al. 2021).

  3. 3.

    Software-spezifische Bedienkompetenz: Komplexe technologische Systeme, wie bspw. LMS, sind in ihrer vollen Funktionalität nur für entsprechend ausgebildete Bediener*innen nutzbar. Daher ist die Software-spezifische Weiterbildung der Personalentwickler*innen neben allen inhaltlichen Aspekten unerlässlich für die sachgerechte Pflege und Bedienung und ein nicht zu vernachlässigender Erfolgsfaktor (Bondarouk et al. 2017; Hempel 2004).

5.2 Rechtliche und ethische Fragen und Risiken im Hinblick auf den Technologieeinsatz in der Weiterbildung

Schließlich gehen mit der Nutzung technologischer Systeme, insbesondere im sensiblen Personalbereich, auch spezifische Herausforderungen und Risiken einher (vgl. Leicht-Deobald et al. 2019). Der Schutz sensibler Personal- und insbesondere Leistungsdaten, vor unbefugtem Zugriff oder Datenverlust ist umso wichtiger, je umfassender und zentralisierter die technologischen Systeme sind (Subramaniyan et al. 2018). Gleichzeitig gilt es abzuwägen, zwischen den organisationalen Interessen durch extensive Datensammlung und -analysen Effizienzgewinne zu erzielen und den Interessen und Rechten der Beschäftigten in Bezug auf Datenschutz und Privatsphäre (Tham und Holland 2022).

Ein anderer, spezifisch für den Einsatz von KI-gestützten Systemen relevanter Aspekt betrifft die Verantwortung für und Kontrolle der automatisiert getroffenen Entscheidungen. Eine regelmäßige Kontrolle durch menschliche Entscheidungs- und Verantwortungsträger*innen ist unerlässlich um sicherzustellen, dass die von Algorithmen getroffenen Entscheidungen moralisch und rechtlich vertretbar und auch in Übereinstimmung mit den Zielen, Werten, der Mission und der Strategie der Organisation sind (für einen systematischen Überblick siehe Köchling und Wehner 2020).

Schließlich findet sich, dass Beschäftige insbesondere gegenüber automatisierten Systemen, die Entscheidungen über für sie bedeutsame Aspekte treffen (wie z. B. die Auswahl für karriereentscheidende Weiterbildungen), Vorbehalte haben und diesen kritisch gegenüberstehen (Langer und Landers 2021; Wesche und Sonderegger 2021). Diese Einstellungen sind mitunter dadurch bedingt, dass Entscheidungssysteme, die mit digitalen Daten operieren, menschlichen Wert und Beitrag notwendigerweise quantifizieren und so Reduktionismus und Dekontextualisierung bewirken können (Giermindl et al. 2022; Newman et al. 2020; Wesche et al. in press).

Von daher sollte eine Einführung entsprechender Systeme immer mit einer umfassenden Informationskampagne begleitet werden, um allen Involvierten Transparenz über die erhobenen Daten, deren Verarbeitung und auch die Entscheidungsregeln zu geben.