1 Einleitung

Theorien helfen, komplexe Zusammenhänge auf das Zusammenspiel einiger weniger Variablen zu reduzieren. Wie hilfreich sind Theorien aber für die Praxis? Lewin (1943) ist bekannt für sein Postulat, dass nichts praktischer sei als eine gute Theorie, wobei er den Nutzen von Theorien dabei darin sah, dass sie praktisches Handeln unterstützen. Da Theorien dabei helfen, Phänomene besser zu verstehen, ermöglichen sie es aber auch, gezielt auf die Umwelt einzuwirken: Theorien können Praktiker:innen helfen, Zusammenhänge zu verstehen, Vorhersagen zu treffen und effektive Interventionen zu planen (Borsboom et al. 2021). Starke Theorien sind daher nicht nur für die wissenschaftliche Forschung wichtig, sondern auch für die Wirksamkeit praktischen Handelns.

Theorien abstrahieren von spezifischen Gegebenheiten, benennen dahinter liegende Variablen und identifizieren allgemeine Prinzipien, wie diese Variablen zusammenhängen. Durch ihre allgemeinen Prinzipien bieten sie Erklärungen über Wirkungszusammenhänge an, die auf eine Vielzahl von verwandten Phänomenen bezogen werden können. Über das Verständnis dieser Zusammenhänge können Wirkungen gezielt hervorgerufen werden. Aus Theorien ist also ableitbar, was ein:e Coach tun oder nicht tun sollte, um eine gewünschte psychologische Wirkung (z. B. eine Motivation oder Handlung) bei Klient:innen zu initiieren.

In der Psychologie werden Verhaltensphänomene als Manifestationen einer grundlegenden Reihe von intrapsychischen Bedürfnissen, Zielen, Motiven, Gründen, Dispositionen und Wissensstrukturen subsumiert (Fiedler und Salmen 2021). Die Sozialpsychologie betont dabei den Einfluss der Situation (Zimbardo 2006) sowie die Ebenen von Gruppe und Kultur als Einflussfaktoren auf individuelles Verhalten, das in Wissensstrukturen über die Welt, in soziale Identitäten, in das Selbst und in kulturelle Weltsichten übersetzt wird. Verhalten wird als Resultat des Zusammenwirkens von Merkmalen der Situation und der Personen gesehen. Während Coaching-Forschung oftmals der Organisationspsychologie und damit einem Bereich der angewandten Psychologie zugeordnet wird, möchten wir in diesem Beitrag das Augenmerk auf Theorien aus der Grundlagenforschung der Motivations- und Sozialpsychologie lenken, die wir als interessant für das Verständnis von Coachingprozessen betrachten.

2 Kennzeichen von Theorien und ihr Stellenwert im Coaching

Theorien abstrahieren die Komplexität der Wirklichkeit auf wenige allgemeine Prinzipien. Diese Prinzipien werden als Aussagen (Propositionen) bzw. Annahmen über Zusammenhänge formuliert und entwerfen ein schematisches und oft vereinfachtes Bild der Realität. Sie beinhalten dabei oft ein zentrales allgemeines Prinzip, das erklärt, warum eine bestimmte Bedingung eine bestimmte Wirkung erzielt. Somit liegen Theorien Annahmen zugrunde („Wenn …, dann …“), die etwas erklären oder vorhersagen und an der Realität überprüft werden können.

Als Kriterien einer guten Theorie sollte Folgendes gegeben sein (van Lange 2013): (1) Generalisierbarkeit: Theorien sollten nicht nur ein spezifisches Phänomen (z. B. Angst vor einem schwierigen Mitarbeitendengespräch) erklären, sondern eine Vielzahl an verwandten Phänomenen (z. B. Angst vor konflikthaften Gesprächen). (2) Konsistenz: Theorien sollten widerspruchsfrei sein und mit externen Kriterien sowie in sich konsistent sein (externale und internale Konsistenz). (3) Sparsamkeit und Präzision: Theorien sollten nicht zu viele Zusatzannahmen machen und mit einem oder nur wenigen Prinzipien auskommen, die exakt formuliert sind. (4) Falsifizierbarkeit: Die theoretischen Annahmen sollten an der Realität überprüfbar sein, und das Resultat dieser Überprüfung sollte reproduzierbar sein. Die evidenzorientierte Überprüfung von aus Theorien abgeleiteten Hypothesen ist also ein integraler Bestandteil wissenschaftlicher Theorien.

In der Psychologie steht die empirische Testung von Hypothesen und damit einhergehender Zusammenhänge im Vordergrund. Die Psychotherapie hingegen ist noch immer durch die Orientierung an Denkschulen, durch einen damit einhergehenden Schulenstreit und die Entwicklung von Untergruppen zu einzelnen Denkschulen geprägt (Rief 2019; Kriz 2001). Als Resultat werden in verschiedenen Denkschulen vergleichbare Phänomene mit ganz unterschiedlichen Bezeichnungen versehen. Zum Beispiel wird das Festhalten an bestimmten „Glaubenssätzen“ in der Psychoanalyse als „Neurose“, in der Logotherapie als „verzerrte Annahme“, in der Systemischen Familientherapie als „Verstrickung“ und in der Kognitiven Therapie als „dysfunktionale Denkmuster“ bezeichnet (s. Drath 2021). In der Psychotherapie gibt es mittlerweile Bestrebungen, die einzelnen Denkschulen zu integrieren, z. B. durch die Verfahren der sogenannten Dritten Welle (ebd.). Um den Schulenstreit zu überwinden, gibt es den Vorschlag, Psychotherapie an Kompetenzen zu orientieren (Rief 2019). Laut Weinert (2001, S. 27 f.) sind Kompetenzen „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“. Die Orientierung an Kompetenzen ist auch im Coaching oder der Supervision sehr beliebt (Rauen und Steinke 2021; Judy und Knopf 2016).

Anders als in der Psychotherapie kann man im Bereich des Coachings statt von sich bekämpfenden Denkschulen eher von „integrativer Experimentierfreude und konzeptionellem Pragmatismus“ sprechen (Drath 2021, S. 29). Im Coaching hat sich eine Art „eklektischer Kern“ ausgebildet, der aus sich ergänzenden Haltungen, Modellen und Interventionen besteht, der über die Zeit wächst und v. a. durch systemisch-konstruktivistische, psychodynamische, kognitive und humanistisch-philosophische Denkschulen geprägt ist (ebd.). Diese sich ergänzenden Elemente prägen die Grundhaltung von Coaches im Sinne eines Welt- und Menschenbildes. Sie leiten über zu ihrem Verständnis von Professionalität und beratender Haltung (d. h. einem Verständnis von sich selbst als Berater:in, inkl. Berufsethos und Einstellung zur Zusammenarbeit mit den Klient:innen) und stellen ein dazu passendes Repertoire an Modellen und Interventionen zur Verfügung, sozusagen einen „Methodenkoffer“ für das Coaching mit Konzepten und Techniken.

Der Bereich des Coachings verfügt also über eine große Methodenvielfalt, wobei der Stellenwert von Theorien im Coaching immer wieder diskutiert wird (z. B. Greif et al. 2018; Loebbert 2017). Einerseits gibt es die Forderung nach der Entwicklung eigener Coaching-Theorien (Bachkirova 2021), und einige Coaching-Ansätze basieren explizit auf Theorien (z. B. das Zürcher Ressourcen Modell; Storch und Krause 2017). Andererseits leiten sich Coaching-Ansätze oftmals eher aus Denkschulen ab, die in enger Tradition mit der Psychotherapie stehen (Ryba 2021). Im Coaching und in der Beratung sei eher die Haltung für den Einsatz von Methoden entscheidend als die Theorien, könnte man argumentieren. Denn in Beratungsausbildungen wird viel über die Bedeutung der Haltung gesprochen. Beratende reflektieren über ihr Welt- und Menschenbild, auf welche Annahmen über den Menschen sie sich stützen, an welchem normativen Rahmen sie sich in ihrem Verständnis von Professionalität und ihrem eigenen Beratungskonzept orientieren (Drath 2021). Dies hilft natürlich der Orientierung im Beratungsprozess und hat Einfluss auf die Gestaltung des methodischen Vorgehens.

Psychologische Theorien können jedoch helfen zu entscheiden, welche Methoden, Techniken und Interventionen sinnvoll eingesetzt werden. Zu den vielfältigen Themen, die im Coaching bearbeitet werden, passen jeweils bestimmte Theorien, die Coaches anleiten, diejenigen Methoden auszuwählen, die zur Thematik passen. Dies ist insofern wichtig, als ein wahlloser Methodenmix zu Irritationen der Klient:innen führen kann (Schreyögg 2009). Schreyögg schlägt vor, eine sogenannte Praxeologie zu entwickeln, das heißt einzelne methodische Techniken, Tools und Interventionen im Kontext eines „reflektierten Praxiskonzeptes“ zusammenzufassen (ebd.). Theorien sind dabei ein wichtiger Bestandteil dieses Konzeptes. Sie können hilfreich sein, um Methoden auszuwählen, die miteinander konsistent sind.

Auch wenn ein Kompetenzansatz zur Überwindung des Schulenstreits bzw. des konzeptionellen Pragmatismus hilfreich ist, stellt eine Orientierung an Theorien unseres Erachtens eine sinnvolle Ergänzung dar. Theorien ermöglichen es, Phänomene zu benennen, die ansonsten nicht sichtbar wären. Da Theorien Wirkmechanismen erklären, sind sie nützlich, um aus dem Methodenrepertoire diejenigen Methoden auszuwählen und einzusetzen, die mit einer größeren Wahrscheinlichkeit zu einem gewünschten Ergebnis führen. Theorien helfen also dabei, Probleme zu lösen, indem sich aus ihnen Hinweise für zielführende Methoden ableiten lassen. In diesem Sinne könnte man sogar sagen: Kompetenz-Orientierung bedeutet, dass man die Wirkmechanismen theoretisch aufschlüsseln und theoretisch fundiert beeinflussen kann. Die Kenntnis von Theorien ist also enorm wichtig, da sie der Schlüssel zum Verständnis der Phänomene sind, mit denen man es zu tun hat. Denn ohne theoretische Kenntnisse werden die psychologischen Zusammenhänge, Wirkmechanismen und Bedingungen nicht ersichtlich. Eine breite Kenntnis von verschiedenen Theorien kann also dabei helfen, psychologische Prozesse zu identifizieren und kompetent anzugehen.

3 Inwiefern sind Theorien praktisch?

Psychologische Theorien im Coaching sind wichtig, weil sie sich auf mehrere Phänomene beziehen und somit in verschiedenen Ausgangssituationen und bei den unterschiedlichsten Klient:innen verwendet werden können. Sie spezifizieren Bedingungen für psychologische Prozesse, die einer Motivationslage oder einem Verhalten zugrunde liegen. Häufig führen sie zusätzliche Bedingungen auf, welche die psychologischen Prozesse und damit ein Ergebnis beeinflussen (sog. Moderatoren). Daraus lassen sich Veränderungsmechanismen ableiten, die helfen zu klären, welche Interventionen gesetzt werden müssen, damit die zugrunde liegenden psychologischen Prozesse sich ändern und eine Motivationslage oder ein Verhalten sich in eine gewünschte Richtung bewegt.

Im Coaching geht es darum, Klient:innen bei der Identifikation und Erreichung förderlicher organisationaler, beruflicher und persönlicher Entwicklungsziele zu unterstützen (Sonesh et al. 2015). Hier spielen verschiedene methodische Ebenen zusammen, was auch anhand der Definition von Coaching deutlich wird. So definieren z. B. Stober und Grant (2010, S. 2) Coaching als „a collaborative and egalitarian relationship between a coach, who is not necessarily a domain-specific specialist, and a client, which involves a systematic process that focuses on collaborative goal setting to construct solutions and employ goal attainment processes with the aim of fostering the on-going self-directed learning and personal growth of the client.“ In dieser Definition werden mehrere Ebenen angesprochen, für deren Gestaltung methodische Elemente in Form von Tools, Techniken und Interventionen ausgewählt werden müssen. So wird (1) auf der Beziehungsebene von einer kollaborativen und gleichberechtigten Beziehung zwischen Coach und Klient:in gesprochen, (2) auf der Prozessebene wird ein systematischer Prozess benannt, der sich auf die gemeinsame Zielsetzung zur Entwicklung von Lösungen und deren Umsetzung bezieht, und (3) auf der Funktionsebene der Selbststeuerung geht es um ein fortlaufendes selbstgesteuertes Lernen und das persönliche Wachstum. Im Coaching sind die einzelnen Ebenen nicht separat zu verstehen, sondern sie greifen ineinander und ergänzen sich. Coaches setzen ihre Kompetenzen ein, um den Klient:innen auf verschiedenen Ebenen zu begegnen. Hierbei können Kompetenzen, Theorien mit ihren Wirkungszusammenhängen und Methoden gut zusammenwirken.

Nun könnte eingewandt werden, dass in der Coaching-Praxis bereits verschiedene Modelle zur Verfügung stehen, die dabei helfen, die verschiedenen Ebenen zu strukturieren. Auf der Prozessebene kann das Coaching z. B. durch das GROW-Modell von Whitmore (2010) (s. Grant 2011) in vier Phasen gegliedert werden. Dabei steht (G)oal für das Festlegen eines Ziels, (R)eality check für das Beschreiben der aktuellen Situation, (O)ptions für das Generieren von alternativen Strategien und Handlungsverläufen und (W)ill für das Erstellen eines Umsetzungsplan. Das GROW-Modell liefert einen guten Überblick über Phasen, die im Coaching durchlaufen werden, und ist sehr hilfreich, um eine Coaching-Sitzung zu strukturieren. Daher kann man zu Recht fragen, wo der Unterschied bzw. der Vorteil zu Theorien aus der Wissenschaft liegt. Das GROW-Modells liefert zwar eine hilfreiche Auflistung von Phasen, allerdings ist unklar, wann eine Phase beendet ist und wann die nächste Phase beginnt und woran dieses festgemacht werden könnte. Im Unterschied dazu liefern Theorien Überlegungen, welche Wirkung in einer bestimmten Phase wie erzielt werden kann. Wenn Coaching die Identifikation und Erreichung förderlicher organisationaler, beruflicher und persönlicher Entwicklungsziele unterstützen möchte (Sonesh et al. 2015), dann geben Theorien Hinweise darauf, welche Qualitäten im Prozess der Zielerreichung unterschieden werden können und wie praktisch vorgegangen werden kann, um zu erkennen, ob eine Phase abgeschlossen ist und die nächste begonnen werden kann. Wir postulieren, dass das über die Spezifikation des erwünschten Zielzustand in den verschiedenen Phasen geschieht.

Im Folgenden möchten wir eine Auswahl von Theorien vorstellen, die unseres Erachtens hilfreiche Hinweise dafür enthalten, was ein:e Coach tun und nicht tun sollte. Wir beginnen mit einer Theorie zur Prozessebene: der Mindset-Theorie der Handlungsphasen, welche vier Phasen auf dem Weg zum Ziel beschreibt, die mit unterschiedlichen Denkweisen verbunden sind. Danach wenden wir uns Theorien auf der Beziehungs- und dann der Funktionsebene zu.

4 Prozessebene – Berücksichtigung unterschiedlicher Handlungsphasen im Zielverfolgungsprozess

Auf der Prozessebene steht im Coaching die Arbeit an den Zielen im Fokus, die mithilfe des Einsatzes von verschiedenen Techniken und Tools erreicht werden sollen. Coachingprozesse erstrecken sich üblicherweise über mehrere Sitzungen (Cushion 2007; Grover und Furnham 2016; Joo 2005), in denen verschiedene Phasen durchlaufen werden (Dembkowski und Eldridge 2003; Jackson und McKergow 2007; Kauffman und Coutu 2009; Palmer 2008; Whitmore 2002).

4.1 Die Mindset-Theorie der Handlungsphasen

Um den Prozess im Coaching besser nachvollziehen zu können, eignet sich die Mindset-Theorie der Handlungsphasen (engl.: mindset theory of action phases; kurz MAP; Achtziger und Gollwitzer 2009a; Heckhausen und Gollwitzer 1987). Die MAP bietet einen theoretischen Rahmen, um den Prozess der Zielauswahl, -festlegung, -verfolgung und -erreichung zu skizzieren (Abb. 1). Gollwitzer (1991) spricht davon, dass Wünsche eine gewisse „Karriere“ durchlaufen müssen, damit sie erfolgreich in wirksame Handlungen umgesetzt werden können. Diese werden in den vier Phasen der MAP näher beschrieben:

Abb. 1
figure 1

Das Modell der Handlungsphasen

(1) Prädezisionale Phase: Identifikation eines motivierenden Ziels

In dieser ersten Phase erfolgt die Auswahl eines oder mehrerer Ziele, an denen im Coaching gearbeitet wird. Hierzu denken Menschen zunächst über ihre Bedürfnisse, Wünsche und Ziele nach, wägen diese ab und betrachten verschiedene Optionen mit ihren Vor- und Nachteilen. Es ist hilfreich, in der prädezisionalen Phase zwischen Bedürfnissen, die teilweise unbewusst bzw. vorbewusst sind, und bewusst gewordenen Motiven zu unterscheiden, auf deren Grundlage Personen ihre Wünsche und Ziele formulieren können (Grawe 1998). Werden die Ziele auf Basis der Übereinstimmung von Bedürfnis und Motiv getroffen, spricht man von selbstkongruenten Zielen. In empirischen Studien hat sich gezeigt, dass Personen, die sich selbstkongruente Ziele setzen, sich verstärkt anstrengen, diese zu erreichen, und sie auch tatsächlich eher erreichen (Sheldon und Elliot 1999).

Motivational befinden sich Personen in dieser Phase in einem Such- und Abwägeprozess, der möglichst offen für die eigenen Bedürfnisse und die eigene Situation erfolgen sollte. Um sich ein Ziel setzen zu können, werden der Wert (Wünschbarkeit) und die Erwartung (Erreichbarkeit) verschiedener Ziele abgewogen. Es geht um die Frage, warum Personen ein bestimmtes Ziel erreichen möchten (inwiefern ein Ziel also zur Befriedigung von Bedürfnissen und Motiven beiträgt) und wie hoch ihre Erwartung ist, dass sie dieses Ziel erreichen können. Aus dem Produkt von Erwartung mal Wert ergibt sich die Richtung und Intensität der Motivation. Personen benötigen in dieser Phase ein offenes und abwägendes Mindset, welches durch eine realistische Wahrnehmung von Vor- und Nachteilen gekennzeichnet sein sollte (Gollwitzer 1990). Schließlich wählen Personen ein Ziel aus, das sie verfolgen möchten, und bilden damit eine Absicht für die Verfolgung eines bestimmten Ziels aus (= Zielintention).

(2) Präaktionale Phase: Planung der Umsetzung

Mit der expliziten Entscheidung für ein Ziel verändert sich der motivationale Zustand einer Person. Mit der Zielsetzung wird der metaphorische Fluss „Rubikon“ überschritten. Personen wechseln in einen volitionalen (willensbasierten) Zustand, in dem sie ein Commitment zur Zielverfolgung aufweisen. Die Festlegung auf ein Ziel ist durch eine Intention bzw. Absicht (und Verpflichtung) begleitet, das ausgewählte Ziel auch tatsächlich in die Tat umzusetzen.

Motivational ist das ausgewählte Ziel attraktiv, und die Wahrscheinlichkeit, dass es erreicht werden kann, wird als hoch angesehen. Hieraus ergibt sich ein positives Gefühl verbunden mit einer motivationalen Kraft (Gefühl von Entschlossenheit) und einem Willen zur Umsetzung, der auch einen kognitiven Wechsel mit sich bringt. Durch den Willen zur Umsetzung und die damit einhergehende konsequente Zielverfolgung werden Personen in ihrer Informationsverarbeitung parteiisch („closed-minded“). Sie schirmen sich von Informationen ab, die die Umsetzung gefährden könnten, blenden negative Informationen aus und bestätigen und stabilisieren sich durch ein selektives Vorgehen (Gollwitzer 1990).

Personen entwickeln nun Pläne („implemental mindset“; Gollwitzer 1990), in denen sie die für die Zielerreichung notwendigen Handlungsschritte spezifizieren (Achtziger und Gollwitzer 2008), und überlegen, wie Hindernisse überwunden und Herausforderungen gemeistert werden können (Sheeran und Orbell 1999; Oettingen 2012). Dies ist gekennzeichnet durch eine intensive und fokussierte Informationssuche. Empirische Studien zeigen, dass die Zielerreichung verbessert werden kann, wenn Menschen sogenannte „implementation intentions“, also Wenn-Dann-Pläne, formulieren (Gollwitzer 1999; Gollwitzer und Sheeran 2006).

(3) Aktionale Phase: Handeln zur Zielverfolgung und -erreichung

Nach der Planung folgt die Handlung. Für die Umsetzung der gesetzten Ziele mithilfe der geplanten Handlungen, ist eine aktionale Denkweise („actional mindset“, Gollwitzer 1990) von Vorteil. Hier sind Personen auf die Ausführung ihrer Handlungen konzentriert. Dieses wird im Coaching vorbereitet, indem nach Umsetzungsmöglichkeiten gesucht und zielförderliches Handeln identifiziert wird (Behrendt et al. 2021). Je besser in der präaktionalen Phase die einzelnen Handlungsschritte geplant und alternative Pläne für mögliche Hindernisse entworfen wurden, desto wahrscheinlich werden zielfördernde Handlungen durchgeführt.

(4) Postaktionale Phase: Evaluation

Schließlich findet ein Rückblick und eine Bewertung der erzielten Ergebnisse und gezeigten Verhaltensweisen und deren Konsequenzen statt (Achtziger und Gollwitzer 2008, 2009b; Gollwitzer 1990). Hier geht es um die Reflexions- und Analysefähigkeiten der Klient:innen, um ein verbessertes Verständnis der aktuellen Situation zu erlangen und um die beteiligten Akteure und Einflussfaktoren zu verstehen, bevor ein neuer Zyklus beginnt.

4.2 Inwiefern lassen sich aus der Mindset-Theorie der Handlungsphasen Hinweise für die Praxis ableiten?

Die MAP hilft zur Orientierung im Coachingprozess. Auch wenn das Modell nicht so zu verstehen ist, dass die einzelnen Phasen stets Schritt-für-Schritt in der gleichen Intensität zu durchlaufen sind, macht es auf wichtige Aspekte aufmerksam, die den Prozess der Zielerreichung unterstützen (Behrendt et al. 2021). Das Wissen über die unterschiedlichen Phasen der Zielbildung und -erreichung hilft den Coaches, den Coaching-Prozess zu strukturieren und zu leiten. Coachees benötigen an unterschiedlichen Stellen Unterstützung: Manchmal verfügen sie bereits über ein klares, festes und motivierendes Ziel, brauchen jedoch Unterstützung bei der Umsetzung. Andere Personen verfügen über hohe Kompetenzen in der Umsetzung, allerdings fällt es ihnen nicht leicht, das richtige Ziel zu finden (Grawe 2004). Je nachdem, in welcher Phase Coachees Probleme haben, können Coaches eine geeignete Methode anwenden, um die Coachees in ihrer Zielerreichung zu unterstützen.

Die zentrale Rolle in der MAP kommt dem Einnehmen unterschiedlicher kognitiver Orientierungen („Mindsets“) während der Zielauswahl und Zielerreichung zu. Empirisch konnte gezeigt werden, dass durch die intensive Beschäftigung mit einer bestimmten Aufgabe genau die kognitiven Prozesse aktiviert werden, die zur erfolgreichen Aufgabenerfüllung förderlich ist (Gollwitzer 2012). So wird in der prädezisionalen Phase ein deliberatives Mindset aktiviert, da die Person sich zwischen vielen potenziellen Zielen entscheiden und Informationen über die Durchführbarkeit und Erwünschtheit berücksichtigen muss. Daher sollte die Person aufgeschlossen und unvoreingenommen sein, was sich in verschiedenen empirischen Studien bestätigt. Beispielsweise zeigen Personen in einem deliberativen Mindset eine größere visuelle Aufmerksamkeitsspanne (Büttner et al. 2014) und gewichten Vor- und Nachteile gleich stark (Bayer und Gollwitzer 2005). Hat sich die Person auf ein Ziel festgelegt und beschäftigt sich mit dessen Umsetzung, ist ein anderes, nämlich das implementierende Mindset unterstützender. Hier sollte die Person entschlossen und fokussiert an ihrem gewählten Ziel arbeiten. Empirische Studien zeigen, dass Personen mit einem implementierenden Mindset sich stärker auf Details konzentrieren (Büttner et al. 2014) und auch ihre Erfolgschancen optimistisch verzerren (Puca 2001).

Eine weitere wichtige Unterscheidung wird in der Theorie zwischen Motivation und Volition gemacht. In den motivationalen Phasen (prädezisionale und postaktionale Phase) stellt sich die zentrale Frage „Wieso verfolge ich das Ziel?“ und in den volitionalen Phasen (präaktionale und aktionale Phase) „Wie erreiche ich das Ziel?“ (Gollwitzer und Keller 2016). Anhand dieser theoretischen Konzepte können Coaches die Motivation, die Handlungskompetenz und das Verständnis in den jeweils richtigen Phasen gezielt stärken und unterstützen, wohingegen es in der falschen Phase kontraproduktiv sein kann. Wenn Coaches z. B. die Klient:innen in der prädezisionalen Phase anregen, über alternative Ziele zu reflektieren, fördern sie ihre Motivation. Befinden sich Coachees hingegen schon in der Aktionsphase, riskieren Coaches eine Verunsicherung und damit eine Reduktion des Commitments zu den entwickelten Umsetzungsplänen. Kennen Coaches die definierten Endzustände der einzelnen Phase, können sie darauf achten, dass diese erreicht wurden, und dies auch gegenüber den Coachees hervorheben, sodass ein Abschluss der Phase erreicht und ein Übergang zur nächsten Phase kommuniziert werden kann. Hierdurch bekommen Coachees eine strukturierte Anleitung und Orientierung, bevor sie sich mit den Coaches gemeinsam der nächsten Phase zuwenden können.

5 Beziehungsebene – Einstellen auf das Gegenüber

Menschen unterscheiden sich darin, wie schnell sie über den Rubikon kommen und damit von der Entscheidungs- in die Planungsphase übertreten. Somit eignet sich die MAP gut als „Fahrplan“ für den Coachingprozess. Zum Coaching gehört jedoch mehr, als nur einen Prozess zu durchwandern. Die Beziehung zwischen Coach und Coachee ist einer der wichtigsten Faktoren für ein erfolgreiches Coaching (z. B. de Haan et al. 2016; Graßmann et al. 2020). Eine solche Beziehung besteht darin, Coachees durch den Coachingprozess zu führen (Prozessführung), sie dabei als Person zu unterstützen (kooperatives Begleiten) und ihre Entwicklung zu fördern (Ressourcenaktivierung; Behrendt et al. 2021). Prozessführung meint, dass Coaches eine professionelle, kompetente und sichere Haltung einnehmen, weil sie über den Coachingprozess (u. a. den Rubikon-Prozess) Bescheid wissen und diesen im Blick haben. Kooperatives Begleiten meint, dass Coaches ihr Gegenüber als Person mitsamt ihren Bedürfnissen und Werten ernst nehmen und sie aus dieser Haltung heraus verbal sowie nonverbal unterstützen und dabei empathisch und geduldig vorgehen. Ressourcenaktivierung meint, dass Coaches an die Entwicklung ihrer Coachees glauben und aus dieser Haltung heraus ihre Ressourcen für ihre Entwicklung aktivieren.

Diese drei Beziehungs-Elemente beinhalten neben den Verhaltensweisen auch die Haltung, mit der Coaches an das Coaching herangehen. Doch wie können Coaches aus ihrer Haltung passende Methoden ableiten? Auch hier können wissenschaftliche Theorien Orientierung schaffen. Da im Coaching Personen in ihrer Zielerreichung unterstützt werden sollen, kann nach einer Theorie gesucht werden, die individuelle Unterschiede in der motivationalen Orientierung thematisiert. Diese wird in der Theorie des regulatorischen Fokus beschrieben. Mithilfe dieser Theorie können motivationale Präferenzen erkundet werden, um daraus für diese Person passende Gesprächstechniken, Interventionen und Tools abzuleiten und sie so gut in ihrer Motivation zu unterstützen.

5.1 Theorie des regulatorischen Fokus

Die Theorie des regulatorischen Fokus (Higgins 1997) postuliert, dass zwei psychische Foki bestimmen, wie bei der Verfolgung von Zielen vorgegangen wird. Personen mit einem Promotion- oder auch Wachstumsfokus (sog. Promoter) konzentrieren sich darauf, wie sie idealerweise sein möchten (Ideal-Selbst). Dabei sind sie damit beschäftigt, Erfolge zu erreichen. Wenn Erfolge erzielt werden, erleben Promoter Freude als dominante Emotion. Wenn sie jedoch mit Misserfolg konfrontiert sind, erleben sie Enttäuschung. Personen mit einem Prevention- oder auch Sicherheitsfokus (sog. Preventer) konzentrieren sich darauf, wie sie sein sollten (Soll-Selbst). Dabei sind sie wachsam für Fehler und Risiken, um ein Scheitern zu verhindern. Ein mögliches Scheitern bzw. die Gefahr eines Misserfolgs sind mit Anspannung und Angst verbunden. Wenn Erfolge erzielt werden konnten, erleben Preventer Beruhigung als dominante Emotion (s. Tab. 1).

Tab. 1 Charakteristika von Promotion und Prevention-Fokus auf Basis empirischer Befunde. (Aus Böhm et al. 2018, S. 641)

Obwohl prinzipiell beide Foki aktiviert werden können, unterscheiden sich Personen in ihrer grundlegenden Ausprägung des Promotion- und Preventionsfokus (ebd.). Dieser dominante regulatorische Fokus entsteht durch die Sozialisation, also durch Erfahrungen, die eigene Kultur oder die Erziehung. Bei Personen mit einem dominanten Promotion-Fokus wurde in der elterlichen Erziehung z. B. großer Wert darauf gelegt, das Kind zu ermutigen, Schwierigkeiten zu überwinden oder sich etwas zuzutrauen. Die Botschaft an das Kind war, dass es im Leben auf Leistungen, Hoffnungen und Ideale ankommt. Bei Personen mit einem dominanten Prevention-Fokus wurde in der elterlichen Erziehung z. B. großer Wert darauf gelegt, das Kind auf potenzielle Gefahren aufmerksam zu machen oder auf gutes Benehmen zu achten. Die Botschaft an das Kind war, dass es im Leben auf Sicherheit, Verantwortungsgefühl und das Erfüllen von Pflichten ankommt (ebd.).

Promoter gehen in der Regel relativ schnell über den Rubikon. Da sie Veränderungen als Chance auf Erfolg wahrnehmen, sind wachstumsorientierte Coachees schnell voller Tatendrang und damit in der Handlungsphase. Dabei kann es jedoch passieren, dass sie die Phase der Planung teilweise oder auch ganz überspringen. Durch ihren abstrakten Blickwinkel beschäftigen sie sich wenig mit Details und potenziellen Risiken und vergessen daraufhin oft, mögliche Hindernisse auf dem Weg der Zielerreichung zu bedenken. Preventer nehmen Veränderungen als Risiko zu scheitern wahr und kommen daher langsamer über den Rubikon oder stecken oftmals in der Planungsphase fest. Ihr Fokus auf mögliche Fallstricke und Misserfolge in Veränderungsprozessen ermöglicht ihnen ein realistisches Setzen von Teilschritten. Durch ihren Blick auf konkrete Details gelangen sie aber oft schwer oder langsam in die tatsächliche Handlung.

Die Theorie des regulatorischen Fokus geht also ebenfalls wie die MAP von einem Zusammenspiel von Motivation, Kognition und Handlung aus. Sie nimmt an, dass der Promotion- oder Preventionsfokus bestimmt, welche Informationen Menschen wahrnehmen, suchen und verarbeiten und welche Strategien zur Zielverfolgung sie verwenden. Wie geht man nun als Coach mit diese beiden unterschiedlichen Foki um? Wie schafft man es, Coachees in ihrem jeweiligen Fokus abzuholen, um damit erfolgreiche Coachingprozesse zu ermöglichen?

5.2 Regulatorische Passung

Der regulatorische Fokus kann auch durch die Situation aktiviert werden (Higgins 1997). Denkt man an den Beginn der Coronapandemie, hat diese Zeit bei vielen Personen einen starken Prevention-Fokus hervorgerufen, der sich z. B. in Hamsterkäufen oder der Reduzierung von Kontakten äußerte, weil die Menschen sich sicher fühlen und das Risiko einer Erkrankung nicht eingehen wollten. Passt nun die Situation, die einen bestimmten Fokus hervorruft oder bedient, zum dominanten Fokus einer Person, wird dies als regulatorische Passung bezeichnet (Higgins 2005).

Für erfolgreiche Coachingprozesse ist eine regulatorische Passung wichtig. Diese wäre z. B. gegeben, wenn Promotion-Coachees mit einer Situation konfrontiert werden, in der sie ihre Wachstumsorientierung ausleben dürfen – z. B. im Coaching davon erzählen dürfen, welche neuen Kompetenzen sie sich gerne aneignen möchten –, oder wenn Prevention-Coachees mit einer Situation konfrontiert werden, in der sie ihre Sicherheitsorientierung ausleben dürfen – z. B. im Coaching davon erzählen dürfen, welche Kompetenzen sie bereits mitbringen. In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass eine regulatorische Passung zu einer besseren Zielerreichung, zu mehr Motivation und mehr Leistung führt. Promoter zeigten z. B. mehr Motivation nach einem positiven Feedback über ihre Arbeit, Preventer hingegen nach Feedback, das auf Negatives gerichtet war, wie z. B. Fehler (Van-Dijk und Kluger 2004). Außerdem zeigten Preventer gegenüber einer organisationalen Veränderung eine bessere Anpassung, stärkeres Engagement gegenüber der Veränderung und weniger Erschöpfung, wenn ihnen die Veränderung mit einem Fokus auf die Vermeidung möglicher Fehler kommuniziert wurde, als wenn ihnen diese mit einem Fokus auf das berufliche Wachsen kommuniziert wurde (Petrou et al. 2013). Auch im Coaching-Kontext profitieren Prevention-Coachees mehr als Promotion-Coachees von Coaches, die Fehler und Probleme betonten (Sue-Chan et al. 2012).

Erklärt wird dieser Effekt dadurch, dass Einzelne ihr Handeln als „richtig“ erleben und sich stärker auf dieses Handeln einlassen (Cesario und Higgins 2008; Higgins 2005). Dieses Gefühl stellt sich ein, weil die angewandte Strategie den aktuellen regulatorischen Fokus bedient und nicht stört (Higgins 2005). Das Gefühl, dass das eigene Handeln „richtig“ ist, wird von einer Reihe positiver Aspekte begleitet: Die Informationen, die während des Handelns gegeben sind, werden leichter verarbeitet (Lee und Aaker 2004; Higgins 2005), das aktuelle Handeln wird wertgeschätzt (Higgins 2000; Higgins et al. 2003), es werden positive prospektive und retrospektive Gefühle gegenüber dem Handeln erlebt (Freitas und Higgins 2002; Higgins 2000), und eine hohe Motivation und ein starkes Engagement werden hervorgerufen für das, was man gerade tut oder zu tun beabsichtigt (Cesario et al. 2004).

5.3 Inwiefern lassen sich aus der Theorie des regulatorischen Fokus Hinweise für die Praxis ableiten?

Die Berücksichtigung des dominierenden regulatorischen Fokus kann ein erfolgreiches Coaching unterstützen. Wenn Coaches die Promotion- oder Preventionorientierung ihres Coachees herausfinden, können sie diese Orientierung praktisch mit ihrem Repertoire an Methoden, Gesprächstools und Interventionen bedienen. Wenn man sich z. B. vorstellt, dass eine Person ein Coaching in Anspruch nimmt, weil sie Stressfaktoren in ihrem Job beseitigen möchte, kann man mit der Person bestehende Bewältigungsstrategien erkunden, die sie bereits in ähnlichen Situationen angewandt hat. Da ihnen die Theorie des regulatorischen Fokus jedoch bekannt ist, erkennen Coaches, dass es der Person wichtig ist, Neues auszuprobieren und zu wachsen. Sie nehmen sie somit in ihrer motivationalen Orientierung ernst und aktivieren dadurch einen Prozess mit unterstützender kognitiver, emotionaler und motivationaler Wirkung. Übersetzen wir diesen Prozess in die Sprache von theoretischen Wirkungsmodellen, würde dies folgendermaßen lauten: Coaches, die zu Coachees passende Methoden verwenden (Input), sollten also einen Prozess anstoßen, der die Coachees in ihrer Zielerreichung unterstützt: Die Coachees nehmen bewusst oder unbewusst wahr, dass ihr Fokus durch sicherheits- oder wachstumsorientierte Strategien bedient wird (Kognition). Dies ruft ein „richtiges“ Gefühl hervor (Emotion) und verhilft somit den Coachees dazu, sich entschlossen ihren Zielen zu widmen (Motivation). Dies sollte wiederum den Coaching-Erfolg (Output) erhöhen.

Wie können Coaches nun den regulatorischen Fokus der Coachees herausfinden? Durch Erfahrung wissen Coaches oft intuitiv, wer welchen Fokus hat und welche Methoden sie bei welchen Coachees einsetzen. Ist ihnen jedoch die Theorie des regulatorischen Fokus bekannt, können sie gezielt auf Schlüsselwörter und damit verbundene Emotionen achten. Auch können sie ihren Coachee auf die Häufung bestimmter Schlüsselwörter aufmerksam machen. Durch ein Gespräch über die Theorie können Personen ihr eigenes Denken, Fühlen und Wollen selbst besser einordnen und reflektieren. Hierdurch steuert die Theorie einen Mehrwert für die Praxis bei: Durch konkretes Einordnen in die motivationalen Orientierungen von Promotion und Prevention und das explizite Benennen dieser Dimensionen geschieht die Unterstützung des Gegenübers nicht mehr intuitiv, sondern theoriegeleitet. Durch Kenntnis der Theorie fällt es Coaches möglicherweise leichter, gezielt auf den Fokus des Gegenübers einzugehen (durch Anpassung der eigenen Sprache und Auswahl bestimmter Methoden etc.). Durch Kenntnis der Theorie können Coaches auch ihren eigenen Fokus entdecken und möglicherweise besser darüber reflektieren, warum sie selbst z. B. bestimmte Präferenzen für Sprechweisen oder Tools, Methoden und Interventionen haben.

6 Funktionsebene: Entwicklung durch Förderung von Selbststeuerungskompetenzen

Coaching heißt Entwicklung, wobei Coaching das Ziel hat, das fortlaufende selbstgesteuerte Lernen und das persönliche Wachstum der Coachees zu fördern (Stober und Grant 2010). Damit kommen wir zur Funktionsebene des Coachings. Um die Coachees in den einzelnen Phasen des Rubikons unterstützen zu können, ist es sehr hilfreich, sich mit den Selbststeuerungskompetenzen von Personen auseinanderzusetzen. Laut der Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktionen (kurz PSI-Theorie; Kuhl 2001, 2009) können diese entwickelt und verändert werden. Die PSI-Theorie unterscheidet zwischen Erst- und Zweitreaktionen, die Personen zeigen, wenn sie mit herausfordernden Situationen konfrontiert werden. Die Erstreaktion ist abhängig von Persönlichkeitsunterschieden, die angeboren sind oder sich früh entwickelt haben. Unterschiede in der motivationalen Orientierung sind ein Beispiel für eine Erstreaktion (Kuhl und Alsleben 2009).

Erstreaktionen können über Zweitreaktionen modifiziert werden. Zweitreaktion heißt, dass eine Person bestimmte Gedächtnissysteme ansteuert, die ihr helfen, ihr intrapsychisches Funktionieren so anzupassen, dass die eigenen Ziele erreicht werden können. So können z. B. zur Impulsivität neigende Personen lernen, sich zu bremsen und zunächst bewusst Pläne zu erstellen. Mit Hilfe der PSI-Theorie können Coaches abhängig von der Phase des Rubikons und der Persönlichkeit der Coachees gezielt solche Methoden anwenden, die ihre Coachees individuell bei der Zielerreichung unterstützen.

6.1 Die vier Gedächtnissysteme der PSI-Theorie

Kuhl (2001, 2009) geht in der PSI-Theorie davon aus, dass jede Person vier Gedächtnissysteme (Extensionsgedächtnis, Intentionsgedächtnis, Objekterkennungssystem und die Intuitive Verhaltenssteuerung) hat und dass diese dynamisch miteinander interagieren. Die Ansteuerung der vier Systeme erfolgt mit Hilfe von Affekten. Ist unsere Stimmung entspannt und gelassen, haben wir einen guten Zugriff auf das Extensionsgedächtnis (EG) und damit auf unser Selbst, unsere Bedürfnisse, Werte, Erfahrungen, Ressourcen und Fähigkeiten. Deswegen ist das EG auch die Schaltzentrale der Selbstregulation. Der Gegenspieler des EGs ist das Objekterkennungssystem (OES). Die Aktivierung des OESs geht mit negativen Affekten (z. B. Angst) einher. In diesem Zustand werden besonders Unstimmigkeiten und Diskrepanzen im Umfeld wahrgenommen. Dies kann hilfreich sein, wenn sich Personen mit Problemen konfrontieren müssen, ist jedoch hinderlich, wenn Personen Zugang zu ihren Bedürfnissen, Werten, Ressourcen etc. bekommen möchten. Ist das Intentionsgedächtnissystem (IG) aktiviert, wird zielfokussiert, systematisch und sequenziell gedacht. Klient:innen befinden sich hier in einem sehr kognitiven und wenig emotionalen Zustand, welcher sich gut eignet, um einen Plan für die Zielumsetzung zu erstellen. Für die Umsetzung der geplanten Schritte wird dann aber das vierte Gedächtnissystem, die intuitive Verhaltenssteuerung (IVS) gebraucht. Hier werden positive Affekte benötigt, damit die Klient:innen sich selbst motivieren können, die geplanten Handlungen auch in die Tat umzusetzen.

Basierend auf ihrer Erstreaktion nutzen Personen je nach Situation und eigener dominierender Funktionsweise eines der vier Gedächtnissysteme. Sie können jedoch lernen, mit der Erstreaktion und den Affekten umzugehen und eine an die Situation angepasste Zweitreaktion zu zeigen: Die Fähigkeiten, gezielt zwischen den Gedächtnissystemen hin und her zu wechseln, werden Selbststeuerungskompetenzen genannt. Wenn diese gut ausgebildet sind, kann die Person dynamisch und der Situation angepasst das jeweilige Gedächtnissystem ansteuern, das für die derzeitige Phase im Prozess benötigt wird. Eine besondere Rolle spielen hierbei die Fähigkeiten zur Selbstregulation (zur Unterstützung der Auswahl eines Ziels vor Überschreiten des Rubikons) und Selbstkontrolle (zur Unterstützung der Umsetzung eines Ziels nach Überschreiten des Rubikons).

6.2 Inwiefern lassen sich aus der PSI-Theorie Hinweise für die Praxis ableiten?

Je nachdem, in welcher Phase sich die Coachees im Rubikon-Prozess befinden, benötigen sie ein anderes Gedächtnissystem. Um hierauf Zugriff zu bekommen, ist die Regulierung ihrer Affektlagen entscheidend. Die Selbstregulationsfähigkeit der Coachees wird insbesondere in der prädezisionale Phase im Rubikon-Prozess benötigt. Sie ist ein demokratischer Prozess, bei dem alle Bedürfnisse und Werte mit in die Entscheidung einfließen. Der Fokus der Coaches sollte auf der Bedürfnisebene liegen, damit die Coachees ein selbstkongruentes und selbstbestimmtes Ziel formulieren. Hierdurch können sie ein möglichst hohes Commitment zu ihrem Ziel aufbauen und somit die Erfolgschancen der Zielerreichung maximieren (Sheldon und Elliot 1999).

Coaches sollten ihre Coachees darin unterstützen, sich intensiv und ganzheitlich mit ihrem Veränderungswunsch auseinanderzusetzen und einen guten Zugang zum EG zu bekommen. Um ein passendes Ziel zu identifizieren, sollten die Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Im Coaching sollte deswegen zu Beginn des Prozesses offen und eruierend nachgefragt werden, damit möglichst alle Gedanken, Überlegungen und Gefühle in die Entscheidung für das Ziel mit einfließen können. Was ist z. B. das Ziel hinter dem Ziel? Dies ist häufig nicht leicht zu spüren, da Bedürfnisse vielfach eher implizit zugänglich sind. Generell sind in dieser Phase offene Fragen ein gutes Hilfsmittel, um die Coachees in der Reflexion zu unterstützen. Menschen erleben diese erste Phase aber häufig als motivationale Gemengelage, die teilweise unübersichtlich ist und verwirren kann. Häufig tauchen mehrere Ziele und Wünsche gleichzeitig auf, einige hängen miteinander zusammen, andere stehen im Konflikt miteinander (Maier et al. 2019). Über einige Aspekte sind sich Personen sehr klar, andere Aspekte sind nur mit einem vagen Gefühl verbunden. Hierzu ist eine entspannte Stimmungslage hilfreich. Dann kann impliziten Bedürfnissen eher nachgespürt werden, und Personen fühlen eher, was sie sich wirklich wünschen und was hinter dem von ihnen anfänglich definierten Ziel stecken könnte.

Da Klient:innen in der Regel mit einem Problem oder Veränderungswunsch in das Coaching kommen, überwiegt häufig gerade zu Beginn des Coachings die Aktivierung des OES. Wenn Coaches wahrnehmen, dass zu viele negative Punkte von den Klient:innen kommen, können Coaches Klient:innen bewusst unterstützen, ihre negativen Affekte wieder zu beruhigen und so wieder Zugang zu ihrem EG und damit zu ihren Bedürfnissen, Werten, Ressourcen zu bekommen (s. Abb. 2, Selbstberuhigung). Befinden sich die Klient:innen in einer entspannten Stimmungslage, können Motivkonflikte gut angesprochen und konkurrierende Motive reflektiert und abgewogen werden (motivationale Klärungsprozesse; Grawe 1998).

Abb. 2
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Darstellung der vier Gedächtnissystem, Affekte, Selbststeuerungskompetenzen und Verbindungen

Wenn die Bedürfnisse umfassend in die Zielformulierung eingegangen sind, werden diese als selbstkongruent, selbstbestimmt und intrinsisch motiviert erlebt (Deci und Ryan 2000), und es entsteht Handlungsenergie für die Umsetzung der Pläne (s. Abb. 2 Selbstbestimmung). Ohne Handlungsenergie kommen Personen jedoch nicht in zielfördernde Handlungen. Wie hoch die Handlungsenergie ist, hängt von der Art der Zielsetzung aus der ersten Phase ab. Sind zu viele negative und zu wenig positive Affekte mit dem Ziel verbunden, wurden die eigenen Bedürfnisse der Person nicht weitreichend genug berücksichtigt. Wenn Ziele nicht selbstbestimmt formuliert wurden, behalten sie etwas Fremdes, was die Zielverfolgung erschwert.

Nach der Entscheidung für ein Ziel, also nach der Überschreitung des Rubikons, werden Selbstkontrollfähigkeiten benötigt. Konfligierende Ziele sollten möglichst abgeschirmt werden, um sich auf die Planung des ausgewählten Ziels zu konzentrieren. Die Selbstkontrolle ist daher ein „diktatorischer“ Prozess, der dabei unterstützt, sich auf das eine Ziel zu konzentrieren und nicht-zielfördernde „Versuchungen“ (Bedürfnisse und äußere Reize) zu unterdrücken. So zeigen empirische Studien, dass eine hohe Bindung an das eigene Ziel dazu führt, dass alternative Ziele ausgeblendet werden und damit die Zielverfolgung- und -erreichung begünstigt wird (Shah et al. 2002). Coaches unterstützen Coachees dabei, fokussiert und analytisch in die Planung zu gehen, d. h. sich auf Informationen zum Wann, Wo und Wie des Handelns zu konzentrieren. Coaches können die Selbstkontrolle fördern, indem sie gezielt Coaching-Methoden einsetzen (wie Zeitmanagement-Übungen, SMART-Methoden oder Wenn-Dann-Pläne), die die Planungsfähigkeiten und die Handlungsumsetzung fördern.

Da es in dieser Phase wertvoll ist, so konkret wie möglich geplante Handlungsschritte zu definieren, ist es wichtig, dass die Klient:innen nicht gleich in ihrer Euphorie in die Handlung übergehen, sondern ihren Handlungsimpuls selbst bremsen (s. Abb. 2, Selbstbremsung). Bei der Planung sollte der Fokus auf der Attraktivität und Umsetzbarkeit des Ziels liegen. Günstig ist es, wenn Coachees zu der Überzeugung kommen, durch ihr eigenes Handeln zur Realisierbarkeit des Ziels beitragen zu können. Hierzu sollten Coaches die Coachees in ihrer planenden Denkweise unterstützen, indem z. B. konkrete Absichten für die Umsetzung besprochen und Umsetzungsintentionen gebildet werden (implementation intentions; Gollwitzer 1990). Hier ist eine intensive und fokussierte Informationssuche dazu hilfreich, welches zielorientierte Verhalten gezeigt und welche Hindernisse überwunden werden müssen, um das Ziel zu erreichen.

Über die Aktivierung von Ressourcen kann in dieser Phase eine Verbindung zum EG hergestellt werden (s. Abb. 2). Im gesamten Coachingprozess ist es wichtig, immer wieder die Ressourcen der Coachees anzusteuern, die für die Zielerreichung unterstützend sind. Die Anzahl der Ressourcen hat einen großen Anteil daran, wie viel Energie selbst erzeugt werden kann, um das Ziel erfolgreich zu erreichen. Für die Umsetzung der notwendigen Schritte für die Zielerreichung müssen Coachees schließlich ins tatsächliche und zielgerichtete Handeln übergehen. Um die geplanten Handlungen in die Tat umzusetzen, ist Handlungskompetenz auf Seiten der Coachees notwendig. Coaches können eine unterstützende Denkweise anregen, indem sie gemeinsam mit den Coachees nach konkreten Umsetzungsmöglichkeiten im Hier und Jetzt suchen und zielförderndes Handeln identifizieren (Behrendt et al. 2021). Coaches unterstützen die Coachees, selbst (autonom) möglichst viel positive Handlungsenergie aufzubringen, um die geplanten Handlungen umzusetzen. Wenn ein Ziel mit viel positivem Affekt verbunden ist, ist es wahrscheinlicher, dass Personen sich selbst motivieren können, um Schwierigkeiten, Hindernisse zu überwinden und bei Misserfolgen nicht aufzugeben (s. Abb. 2, Selbstmotivierung).

Es könnte jedoch auch sein, dass schlicht und ergreifend automatisierte Handlungsmuster im Sinne von Routinen fehlen. Ohne diese können Handlungen noch nicht implizit gesteuert werden. Durch ein Wiederholen, Üben und Trainieren können jedoch Automatismen entwickelt werden. Wenn jedoch in der aktionalen Phase das OES aktiviert ist, z. B. weil während der Handlung Zweifel an der eigenen Kompetenz, an den entworfenen Plänen oder der Sinnhaftigkeit des Ziels auftauchen, droht ein Rückfall in alte automatische Muster (s. Abb. 2). Coaches können hier die bewusste Auseinandersetzung mit Hindernissen oder Schwierigkeiten unterstützen. Alternativ können Coaches sich auf die Affektlage der Klient:innen fokussieren und diese zu beeinflussen versuchen. Durch den negativen Affekt wird das IVS, das mit positivem Affekt einhergeht, gehemmt. Diese wird für die Handlungsumsetzung der Pläne jedoch (dringend) benötigt.

Taucht externer Stress, z. B. in Form von unangenehmen Überraschungen oder zwischenmenschlichen Konflikten, auf, kann die Komplexität und Eigendynamik der Situation steigen, welches bei Personen häufig eine Hemmung ihres zielgerichteten Verhaltens hervorruft. Um auch in solchen Situationen zielgerichtet und im Einklang mit den eigenen Werten handeln zu können, ist es hilfreich, wenn Coaches wiederum den Zugriff auf das EG unterstützen.

In der Postaktionalen Phase bewerten Coachees ihre bisherigen Handlungen und die erzielten Ergebnisse. Hier wird analytisches und kritisches Denken gebraucht, das durch die Aktivierung des Gedächtnissystems des OES zur Verfügung gestellt wird. Um die Frage der Zielerreichung zu evaluieren, sollten sich Klient:innen selbst mit möglichen Unstimmigkeiten konfrontieren. Durch einen Vergleich zwischen dem erreichten und dem gewünschten Zustand werden mögliche Diskrepanzen identifiziert.

Sind Personen zufrieden mit ihren Handlungen, ist der Prozess abgeschlossen. Sind sie noch unzufrieden mit der Zielerreichung, startet ein neuer Prozess. Wichtig ist, dass Coaches hier ein Verständnis über die aktuelle Situation vertiefen und Coachees unterstützen, dass diese ausführlich Informationen sammeln und Feedback einholen. So können sie ihre aktuelle Situation und die gesetzten Handlungen reflektieren, sich selbst besser einschätzen und den Kontext berücksichtigen.

7 Fazit

Wie können Theorien praktisch werden? Dies haben wir anhand von drei Theorien exemplarisch aufzuzeigen versucht, die sich schließlich sogar – wie im vorherigen Abschnitt ausgeführt – sehr gut verbinden lassen. Natürlich ist dies nur eine kleine Auswahl aus einer Vielzahl an möglichen Theorien, die für den Bereich des Coachings hilfreich sein können. Wir hoffen, dass wir illustrieren konnten, dass durch die Benennung von Wirkzusammenhängen Theorien helfen können, allgemeine Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Funktionierens zu formulieren, die vom Einzelfall abstrahieren und auf allgemeine Zusammenhänge schließen lassen. Durch das Aufzeigen dieser Zusammenhänge können sie Anleitung für die Praxis geben und helfen, Wege zur Lösung praktischer Probleme zu finden – damit können sie die Kompetenz von Praktiker:innen erweitern. Zudem können sie Praktiker:innen Vertrauen für ihr Handeln in der Praxis geben. In diesem Sinne sind Theorien zutiefst praktisch (Lewin 1943). Theorien können Kompetenzen in der Beratung unterstützen, aber nicht ersetzen. Es werden weitere Kompetenzen in der Beratung benötigt, um Probleme lösen zu können, und dazu gehört auch, sich ohne theoretische Färbung auf Emotionen einlassen zu können und Kognitionen über Theorien beiseitezuschieben.

Mit der Orientierung an Theorien sind aber auch bestimmte Gefahren verbunden. Theorien schränken das Denken nämlich auch ein und lassen die Anwender:innen ihre Klient:innen durch eine bestimmte Brille betrachten. So kann es z. B. passieren, dass ein:e Coach Probleme (wie z. B. Konflikte zwischen verschiedenen Personen), die eigentlich auf der Ebene der Organisation verortet werden müssten, personifiziert und auf mangelnde Lernerfahrungen zurückführt. Schreyögg (2009) fordert, dass Coaches jeweils reflektieren sollten, inwiefern eine Theorie zu ihrem Welt- und Menschenbild sowie zum konkreten Anwendungsfall passt und dabei konsistent sind (z. B. welche Bedeutung hat der Einfluss frühkindlicher Lernerfahrungen, die dann später zu Mustern werden, im Vergleich zur Annahme der Möglichkeit des lebenslangen Lernens?).

Da Coaches eigentlich dem Anspruch unterliegen, ihren Klient:innen offen und unvoreingenommen zu begegnen, stellt sich jedoch die Frage, ob Coaches diesen Anspruch überhaupt erfüllen können. Begegnet man Menschen nicht immer vor dem Hintergrund eigener kognitiver Schemata, d. h. erworbener Denkmuster? Umso wichtiger ist es, hier Beratung wie Forschung aufzufassen, die Hypothesen testet und offen für deren Widerlegung ist. Das bedeutet, auch in der Beratung (1) zu „testen“, ob eine favorisierte Theorie überhaupt (noch) zutrifft, und (2) die Phänomene, die der:die Klient:in schildert, zunächst offen und theoriefrei auf sich wirken lassen und erst danach theoretisch einzuordnen. Gleichzeitig ist der Wert empirisch überprüfter wissenschaftlicher Theorien als sehr hoch anzusehen. Wie in der Medizin Patient:innen einen Anspruch auf die Behandlung haben sollten, für die die beste Evidenz vorliegt, sollten auch Klient:innen in Beratungsprozessen auf Grundlage wissenschaftlich abgesicherter Befunde beraten werden.