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Energieerzeugung: Könnte ein Solar-Kraftwerk in der Erdumlaufbahn die Energieprobleme lösen?

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Die Esa schlägt den Einstieg Europas in die weltraumgestützte Gewinnung von Solarenergie vor, um die Klimaziele bis 2050 zu erreichen. Doch die Kosten sind hoch.

Paris – Es klingt nach Science-Fiction: Riesige Solarkollektoren könnten im Weltall Energie erzeugen und kabellos auf die Erde transportieren. Was derzeit noch nach reiner Fiktion klingt, könnte jedoch schon bald Realität werden. Die Europäische Weltraumorganisation (Esa) will ein Vorbereitungsprojekt starten, das genau dieses Ziel verfolgen soll.

Damit Europa unabhängig von Energie-Importen werden und das selbstgesetzte Ziel erreichen kann, bis 2050 keine Treibhausgase mehr auszustoßen, will die Esa ihren Mitgliedern im November ein neues Programm namens „Solaris“ vorschlagen. Dieses soll die Gewinnung von „Space Based Solar Power“ (engl.: weltraumgestützte Solarenergie, kurz: SBSP) mit Studien und der Entwicklung von Technologien vorbereiten.

Esa Vega C vor Erstflug
Ein europäischer Raumbahnhof müsste für das Solaris-Projekt geschaffen werden, um die notwendige Infrastruktur im All aufzubauen. © M. Pedoussaut/dpa

Energie aus dem Weltraum: Keine neue Idee

Die Idee eines Solar-Kraftwerks in der Erdumlaufbahn ist dabei alles andere als neu: Bereits in den 1960er Jahren propagierte der 2014 verstorbene US-Ingenieur Peter Glaser als Berater der Nasa die Nutzung von Satelliten zur Stromerzeugung. Doch aufgrund der hohen Kosten wurden diese Pläne verworfen.

Doch in den vergangenen Jahren erlebte die Idee eine Renaissance: Sowohl in den USA, als auch in China wird die SBSP derzeit erforscht. Das California Institute of Technology (Caltech) will den Prototypen eines Satelliten für SBSP im All testen.

Eine große Hürde dabei ist der Transport der erzeugten Energie zur Erde: Das Caltech-Forschungsteam will die eingesammelte Energie deshalb draht- und kabellos über Mikrowellen zur Erde schicken. Dazu laufen derzeit Experimente des U.S. Naval Research Laboratory, das im April dieses Jahres erstmals Strom per Mikrowellen-Strahlung über eine Distanz von einem Kilometer übertragen konnte.

Energie aus dem Weltraum: Europa benötigt Infrastruktur für die Raumfahrt

Für Europa hätte die Aufnahme eines entsprechenden Programms große Auswirkungen: Es müssten Technologien geschaffen und eine eigene Infrastruktur für Starts von Raketen geschaffen werden. Eine Untersuchung des Beratungsunternehmen Frazer-Nash Consultancy aus London ergab, dass nur durch einen eigenen, europäischen Weltraumbahnhof genügend Kapazitäten für das SBSP-Programm geschaffen werden könnte.

Zudem müsste eine wiederverwertbare Lasten-Rakete entwickelt werden, um die Kosten für den Aufbau der Infrastruktur im All möglichst gering zu halten. Dass diese Technologie erfolgversprechend ist, hat auch SpaceX mit seiner „Falcon 9“-Rakete unter Beweis gestellt.

Energie aus dem Weltraum: Ein Drittel des europäischen Strombedarfs könnte im Orbit erzeugt werden

Nach Angaben der Experten könnte ein aus 54 Satelliten bestehendes Weltraum-Kraftwerk bis zu 800 Tera-Watt-Stunden Energie pro Jahr liefern. Das entspricht einem Drittel des aktuellen, europäischen Stromverbrauchs. Europas Importabhängigkeit bei der Energieerzeugung könnte schon mit 20 Satelliten – die um Größenordnungen größer wären als die Internationale Raumstation ISS – bis 2050 auf Null reduziert werden, so die Berater.

Auch eine zweite Analyse des Beratungsunternehmens Roland Berger sieht große Chancen, aber auch Herausforderungen in dem Projekt: Insbesondere in der Entwicklung neuer Technologien könnte sich Europa zum Marktführer in diesem Bereich aufschwingen. Beide Analysen zum Solaris-Projekt sind auf der Homepage der Esa öffentlich zugänglich.

Energie aus dem Weltraum: Hoher Nutzen, doch enorme Kosten für die europäischen Staaten

Bei den Entscheidern für das Projekt stehen jedoch auch die Kosten im Fokus: Und diese fallen sehr hoch aus. Frazer-Nash Consultancy hat die Kosten für das SBSP auf 481 Milliarden Euro berechnet. Das gilt für eine Laufzeit zwischen 2040 und 2070.

Doch diesen hohen Kosten stehen nach Berechnung des Unternehmens, 601 Milliarden Euro durch Einsparungen und finanzielle Vorteile gegenüber. Alleine für Deutschland beliefe sich der Nettonutzen zwischen 2040 und 2070 bei einem umfangreichen Einstieg auf 70 Milliarden Euro.

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Energie aus dem Weltraum: Entscheidung im November

Fest steht schon jetzt, sollte der Esa-Ministerrat im November die Zusage für das Solaris-Projekt erteilen, wäre damit der Grundstein für das größte Energieprojekt gelegt, dass die Menschheit jemals angegangen wäre. Und bei einem Erfolg könnte ein nachhaltige und umweltfreundliche Energiequelle geschaffen werden. (Constantin Hoppe)

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