Künstler:innen in Salzburg: Arbeitsbedingungen, Einkommenssituation, soziale und finanzielle Absicherung

Die finanzielle und soziale Lage von Künstler:innen ist seit einigen Jahren verstärkt Inhalt wissenschaftlicher Arbeiten. Dabei ist die Ambivalenz von subjektiv empfundener oder gelebter Autonomie und Selbstverwirklichung in der Kunst- und Kulturbranche einerseits und belastenden Arbeits- und Einkommenssituationen andererseits ein verstärkt diskutiertes Thema (vgl. z.B. Basten 2016; Manske 2016; Loacker 2010). Ein zentraler Fokus liegt insbesondere auf der Beobachtung, dass Kreative und Künstler:innen hohen Prekarisierungsrisiken ausgesetzt sind. Grund dafür sind labile Einkommen und weitgehend fehlende ökonomische und soziale Absicherung (vgl. z.B. Brook/O’Brien/Taylor 2020; Reither 2012; McRobbie 2009).

Prekäre (im Sinne von ‚unsichere‘; lat. precarius) Arbeitsverhältnisse können in Abgrenzung zu ‚Normalarbeitsverhältnissen‘, die mit regelmäßiger Vollarbeitszeit, bezahltem Urlaub, kollektivvertraglichen Regelungen und arbeitsrechtlichen Absicherungen assoziiert sind, beschrieben werden: Darunter sind Arbeitsverhältnisse mit geringen und unsicheren Einkommen, befristeten, geringfügigen Teilzeitbeschäftigungen, mangelnder Arbeitsplatzsicherheit, mangelndem Kündigungsschutz, keiner oder nur geringer sozialrechtlicher Absicherung (wie Altersversorgung, Kranken-, Urlaubs-, Arbeitslosengeld) zu verstehen. Solche Kontexte sind für die Betroffenen mit großer existenzieller Unsicherheit verbunden. Eine Krankheit beispielsweise kann die Armutsgefährdung enorm erhöhen. Nicht leistbare Urlaube bzw. Erholungszeiten ziehen physische und/oder psychische Probleme nach sich.

Längst sind nicht mehr nur Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen von Prekarisierung betroffen. Vielmehr ist diese in den letzten Jahrzehnten im Zuge der generellen Veränderungen der Arbeitswelt hin zu einem neoliberalen Arbeitsmarkt – mit unsteten Karriereverläufen und unsicheren Arbeitsverhältnissen, die ein hohes Maß an Flexibilität und Selbstausbeutung erfordern – zu einem Phänomen von gesamtgesellschaftlicher Tragweite geworden (vgl. Marchart 2013; Lorey 2012). Dabei aber waren Künstler:innen, die traditionell immer schon finanziell sowie sozial wenig abgesichert und hoch flexibel arbeiteten, eine der ersten betroffenen Berufsgruppen deregulierter und unsicherer Einkommens- und Arbeitsverhältnisse (vgl. z.B. Reckwitz 2012; Boltanski/Chiapello 2003).

Die Arbeitssituation von Künstler:innen ist vielfältigen und komplexen Bedingungen unterworfen. Daher beleuchtet die vorliegende Studie nicht nur deren Einkommen – exemplarisch anhand des Durchschnittsarbeitsjahres 2019 und des pandemiegeprägten Jahres 2020 –, sondern zeichnet ein umfassenderes Bild des Arbeitsfeldes und der darin gemachten Erfahrungen. In der Erhebung wurde unter anderem nach der Beschäftigungslage der Künstler:innen und den damit verbundenen Herausforderungen, ihrer sozialen und finanziellen Absicherung sowie dem Erleben des Kulturstandorts Salzburg gefragt.

Im Zuge der Covid-19-Pandemie, die irreguläre bzw. ungenügend abgesicherte Segmente der Arbeitswelt besonders hart traf und trifft, treten die strukturellen Schwächen des Kulturbereichs deutlich sichtbar hervor. Zwar werden die schwierigen ökonomischen Bedingungen künstlerisch Tätiger seit vielen Jahren von Interessenvertretungen aufgezeigt und entsprechende Kampagnen – etwa 2011 ‚Fair Pay‘ der IG Kultur oder 2016 ‚pay the artist now‘ der IG Bildende Kunst – lanciert, doch erst im Kontext von Covid-19 erfuhr die Problematik in Österreich breitere mediale Aufmerksamkeit. Eine kulturpolitische Folge war, dass – neben finanziellen Unterstützungs- bzw. Überbrückungsmaßnahmen für den Kulturbereich – auf Bundesebene im Herbst 2020 ein ‚Fairness Prozess‘ gestartet wurde. Teil des Prozesses war eine im Sommer 2021 vom Bund in Auftrag gegebene österreichweite Datenerhebung. Dabei wurde in Kunst- und Kultureinrichtungen/-institutionen die Differenz zwischen der Bezahlung von Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen und den Honorar- und Gehaltsempfehlungen der Interessengemeinschaften erhoben (vgl. Gallup Institut 2022). Im Zwischenbericht zum ‚Fairness Prozess‘ ist festgehalten, dass der Bund „Fair Pay als berücksichtigungswürdiges Kriterium in alle neuen Ausschreibungen integriert“ hat (Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport 2021: 6). Bei der Bewertung von Förderansuchen sind Beiräte und Jurys dazu angehalten, Fair Pay bzw. Honoraruntergrenzen der Interessengemeinschaften zu berücksichtigen (vgl. Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport 2021: 6).

Auch im Bundesland Salzburg ist seit 2021 einiges in Bewegung gekommen. Zeitgleich mit unserer Erhebung führte das Land Salzburg eine Befragung durch, um – ähnlich der oben genannten bundesweiten Erhebung – bei den Salzburger Kultureinrichtungen den Finanzbedarf zur Bezahlung ihrer Mitarbeiter:innen nach dem Fair-Pay-Schema der IG Kultur zu ermitteln. Ab 2022 beginnt Salzburg nach Wien als zweites Bundesland Österreichs, im Zuge einer Fair-Pay-Initiative die Forderung nach gerechteren Löhnen und Gehältern für in Kunst- und Kulturorganisationen arbeitende Akteur:innen umzusetzen. Für diese Initiative stehen bis 2024 eine Million Euro Landesmittel zur Verfügung (vgl. Land Salzburg 2021a). Darüber hinaus arbeitet das Land Salzburg aktuell an Verbesserungen der Einkommenslage freischaffender Künstler:innen. Auch auf Ebene der Stadt Salzburg wird die „stufenweise Verankerung von Fair Pay für Institutionen wie für einzelne Kunst- und Kulturtätige“ als kurzfristig umzusetzende Maßnahme benannt (vgl. MA 2 – Kultur, Bildung und Wissen/Initiative Salzburg 2024 2022: 16). Gerade zur Gruppe einzelner freischaffender Künstler:innen gibt es, abgesehen von der Studie ‚Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich‘ (2008) und deren Aktualisierung ‚Soziale Lage der Kunstschaffenden und Kunst- und Kulturvermittler/innen in Österreich. Ein Update der Studie‘ (2018), noch wenig empirisch belegte Daten. Ziel der vorliegenden Studie ist auch, einen Beitrag zur Verringerung dieser Lücke zu leisten; zumindest in Bezug auf das Bundesland Salzburg.

Die Publikation gibt einen Überblick der Untersuchungsergebnisse. Im Anschluss an die Darstellung des methodischen Zugangs folgt die Zusammenfassung und Auswertung zentraler Aspekte, welche auch gender- und spartenspezifisch sowie im Hinblick auf Stadt-Land-Unterschiede analysiert wurden. Im Anhang sind alle Ergebnisse und Tabellen vollständig aufgeführt.

Die Studie ist hier als Download abrufbar.

Die Printversion der Studie kann bestellt werden: roswitha.gabriel@plus.ac.at

Konzeption und wissenschaftliche Leitung der Studie: Anita Moser
Wissenschaftliche Mitarbeit, v.a. Datenerfassung und statistische Aufbereitung: Sophia Reiterer